„Ich will die Welt verändern“
2. Schwerpunktthema: Zukunft – Generation im Aufbruch
In jeder Generation haben junge Menschen gesagt: „Ich will die Welt verändern.“ Auch im Sinne von besser machen. „Nur das ist“, sagt Paul, „keinem wirklich gelungen. Doch am Ende hat sich die Welt immer verändert.“ Ob zum Guten oder zum Schlechten – darüber diskutieren wir bei jedem Treffen der Jugendzeitung RAVOLUTION. In unserer neuen Online-Ausgabe geht es um das Thema Zukunft. Aus der Sicht von 17- bis 19-Jährigen.
Habt ihr Angst vor der Zukunft?, will ich wissen. Ich, Jahrgang 1964, habe die Welt auch einmal besser machen wollen. Manchmal erzähle ich, wie es war, als Kohl Kanzler wurde, als der Reaktor in Tschnernobyl explodierte oder was ich empfand, als meine Eltern Farbfernsehen und erstmals ein Telefon bekamen. Lange vor dem Handy. Oft komme ich mir in dieser Runde wie ein Dinosaurier vor und frage mich, wie es wohl den Rolling Stones geht. Früher und heute Rockstars mit Kultstatus. Zumindest irgendwas bleibt gleich. Oder?
Doch zurück zu unserem Thema und der möglichen Angst vor der Zukunft. Seit 1953 lässt der Mineralölkonzern Shell – ja die Tankstellen! – von Wissenschaftlern untersuchen, wie Jugendliche in Deutschland ticken. Alle vier Jahre werden 12 bis 25-jährige zu Themen wie Bildungszielen, Familienbild oder eben Zukunft befragt. Zum letzten Mal 2015. Eines der Ergebnisse der Studie lautet: „Die junge Generation in Deutschland zeichnet sich durch eine pragmatische Haltung gegenüber Schule und Beruf, Familie und Freundeskreis aus. Die Jugendlichen passen sich den Gegebenheiten an, Chancen wollen sie nutzen. Sie wünschen sich ebenso Sicherheit wie auch positive soziale Beziehungen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich im persönlichen Umfeld für die Belange von anderen oder für das Gemeinwesen zu engagieren … Die junge Generation will zupacken, umkrempeln, neue Horizonte erschließen und ist bereit, dabei auch ein Risiko eingehen. Sie kann in Deutschland 2015 deshalb als „Generation im Aufbruch“ bezeichnet werden.“ 2015 und heute bestimmt genauso.
Und die Mitglieder von RAVOLUTION? Ein Teil von ihnen hat gerade Abitur im badischen Rastatt gemacht. Vier mit der Traumnote 1,0 und zahlreichen Preisen als Jahrgangsbeste in ihren Lieblingsfächern wie Deutsch, Physik und Mathematik. So ist für Paul als Träger des Physik-Preises klar: Er wird ab Herbst Naturwissenschaften auf den Spuren von Einstein und Hawking studieren. Aber, so orakelt er, wird er das auch noch ein Jahr später? Langfristige Planung scheint bei vielen kein Thema.
Pragmatisch reagiert Jess: „Ich glaube, wir brauchen keine Angst vor der Zukunft zu haben. Der Mensch hat es schon immer geschafft, sich weiterzuentwickeln und anzupassen. Darauf gründet unser Fortschritt. Wir sind auch am Nordpol, obwohl unsere Spezie dort eigentlich nicht hingehört.“ Jess ist Optimistin und gerade voller Glücksgefühle, endlich 18 und erwachsen zu sein:
https://www.ravolution.de/geil-endlich-erwachsen/
Ganz anders Florie mit der Bestnote 1,0 im Abitur. Sie grübelt, ob sie mal Kinder haben will. Ob sie denen die Welt zumuten kann. Dabei ist sie dankbar, dass ihre Eltern ihr das Leben ermöglicht haben. Als Weltverbesserin will sie Jura studieren und sich für die Rechte anderer einsetzen. Der Zustand der Welt lässt sie zweifeln: „Wenn ein Politiker wie Trump es nicht einsieht, dass der Umweltschutz wichtig ist, wer sorgt dann für Klimaverbesserung?“ Jeder einzelne müsse Verantwortung übernehmen, alle müssten sich gegenseitig mobilisieren, bekräftigt sie schließlich. Deshalb hat sie Umweltfakten zusammen getragen und Umwelt-Tipps veröffentlicht:
https://www.ravolution.de/wir-atmen-ein-wir-atmen-aus/
Kevin, auch mit Einser-Abschluss und Träger des Mathematikpreises, ist klarer Analyst und schaut, welche Räder wie ineinandergreifen und welche der Mensch dreht. „Ich sehe Menschen nicht als Individuen an, sondern als Organismen.“ Der Wissenschaftler in spe gibt wie sein Alterskamerad Paul messerscharfe Beobachtungen von sich. Ihre Beiträge zu Entwicklungen in der Gentechnik und zur Zukunft von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt lassen mich staunen: Wie alt sind die Beiden? Haben die das selbst geschrieben?
https://www.ravolution.de/die-zukunft-braucht-keine-arbeiter/
https://www.ravolution.de/gentechnik-die-zukunft-beginnt-heute/
In unseren Gesprächen wird immer wieder deutlich: Sie, genauso wie die anderen Mitglieder, gehen in die Tiefe, wollen mehr als Schulwissen aufbauen, sind Suchende und finden viele Quellen für ihre unerschöpfliche Neugier. Nein, in dem Alter hatte ich andere Interessen und Neigungen. Wir haben Konzerte organisiert, auch Demos und immer wieder politische Diskussionsrunden. Wobei, das Interesse an Politik verbindet uns über die Generationen hinweg. Jess scherzt: „Ute, du bist mein einziges Hobby.“
Ich liebe die Zusammenarbeit mit den jungen Leuten. Sie stecken für mich voller Überraschungen: Lea schreibt einen kleinen Science fiction, Kevin glossiert die Schöpfungsgeschichte, Vivien philosophiert über Nietzsche. Ahmad und Jens fotografieren. Joachim programmiert. Ferhat studiert bereits und hat einen Ferienjob. Susanna und Max haben ihre Geschichten noch auf dem Block. Halt nein, zeitgemäßer: auf ihrem Smartphone oder Tablet. Sandra und Jess treffen mal eben nach der Schule den Bundespräsidenten zur Fragerunde.
https://www.ravolution.de/der-bundespraesident-auch-nur-ein-mensch/
Nebenbei spielen Sandra, Susanna und Ian-Titus Theater. Florie und Lea betreuen Flüchtlingsjugendliche und geben Deutsch-Unterricht. Zugegeben, ich hatte eine miserable Abiturnote. Mir waren die Einser-Schüler früher suspekt. Heute scheinen die jungen Menschen alles zu schaffen. Gute Noten, Engagement und eine Charakterentwicklung, bei der ich nur sagen kann: Toll, dass wir so viel zusammen machen. Ihr seid klasse! Ich profitiere von euch! Ok, Dinosaurier trifft die Zukunft.
Foto: Jens Lingenau