Geil – endlich erwachsen!
Einblicke in meine Welt: Ich sehe mehr Chancen als Risiken

„Sei froh, dass du noch nicht erwachsen bist … Für einen Jugendlichen ist alles noch besser und unkomplizierter.“ Ein oft gehörter Satz, wenn man als Jugendlicher mit Älteren kommuniziert. Inzwischen gehöre ich zu diesen Erwachsenen. Mit Erreichen des 18. Geburtstages. Ich stehe erst am Anfang meines Lebens – doch an alle, die noch nicht 18 sind: ES IST GEIL!
Niemand kann dir mehr sagen, was du zu tun hast, wann du es zu tun hast. Du kannst deine eigenen Unterschriften unter Dokumente setzen, Alkohol kaufen, Auto fahren. Andererseits musst du den vollen Preis bezahlen, wenn du ins Kino gehst. In einen Film, der bis 1 Uhr nachts läuft. In den du nur reinkannst wenn … ja wenn du 18 bist.
Dennoch. Viele in meiner Altersgruppe oder auch von meinen Verwandten beschweren sich inzwischen und wünschen sich zurück in ihre Kindheit. Für mich persönlich? Nicht nachvollziehbar. Natürlich – irgendwann, in ferner Zukunft – kommen Steuern und Arbeit auf einen zu. Überhaupt, viele fangen bereits mit 18 (oder noch früher) an zu arbeiten. Manche machen ihr Abitur. Vieles, was man unter einen Hut bringen muss. Ich kritisiere daran nichts.
Überhaupt. Erwachsen sein ist wunderbar. Für mich persönlich überwiegen die positiven Aspekte. Nach dem Abitur kann endlich studiert werden, wofür man sich wirklich interessiert, man kommt weg von zuhause und kann selbstständig die Welt erforschen.
Vielleicht kommen Hindernisse oder Probleme auf einen zu – doch diese werden bestimmt irgendwie überwunden und hinter sich gelassen. Es ist ein Abenteuer. Ein Abenteuer, dass einen jungen Menschen formt, ihn fordert und stärker werden lässt, aber auch lehrt, was es heißt, zu fallen und wieder von alleine aufstehen zu müssen. Davor hat man Angst, vor dem alleine. Alleine. Auf sich gestellt. Der Welt ausgeliefert. Plötzlich ist alles ganz groß und voller Möglichkeiten.
Das wäre vor dem Phänomen Globalisierung nicht so gewesen. Früher war die Welt in ihrer Wahrnehmung kleiner und die Möglichkeiten waren begrenzt. Heute kann jeder Mensch einen Beruf in so gut wie jedem erdenklichen Land in der westlichen Welt ergreifen. Jeder Mensch kann sich gerade bei uns in Europa aussuchen, wo er leben will. Welches Land, welche Sprache er kennenlernen möchte. Das eröffnet große Chancen für jedermann – der aus einem Industrieland kommt.
Zudem bekommen wir Nachrichten aus aller Welt mit, sei es nun ein niesender Koala aus China im Berliner Zoo oder den Skandal, dass Deutsche Schäferhunde in China auf den Tisch kommen. Die letztere Nachricht erschüttert uns Deutsche – die Chinesen erschüttert es, dass wir keine Schlafpausen während unseren Arbeitszeiten haben. Genau das ist die Natur der Globalisierung. Alles ist vernetzt, alles tritt in Kontakt. Auch gegensätzliche Ansichten und Kulturen treffen aufeinander.
Das Schöne ist, wir können Indisch in Stuttgart essen, eine Currywurst in Amerika, einen Burger in Amsterdam. Das nicht so Schöne daran ist, dass sich uns plötzliche die gesamte Welt auch in ihrem Dilemma eröffnet. Dass Fakten, die uns zuvor nicht interessierten – weil im dankbaren Nebel der Unwissenheit unsichtbar -, auf einmal anfangen, sich in unsere Köpfe zu verirren und dort Unruhe zu stiften.
„Ist das Kind, das meine Hose genäht hat, inzwischen tot?“
„Ist es wirklich in Ordnung, sich von einem Tier zu ernähren, das noch nie das Sonnenlicht gesehen hat?“
„Was erleben Menschen, die sich in einem Krieg befinden?“
Fragen solcher Art fangen in unseren Köpfen an zu spuken. Holen uns aus unserem Trott. Katapultieren uns aus der heilen Welt, in der wir glauben zu leben.
Manche Menschen werden traurig, wenn sie so etwas erfahren. Sie hinterfragen sich selbst, die Gesellschaft, das Land, in dem sie leben. Ob es wirklich in Ordnung sei, so auf Kosten von anderen zu leben. Schließlich hätte man auch selbst in Afrika geboren sein können. Andere hingegen suchen die Schuld nicht bei sich selbst. Das alles ist zu schnell für sie. Mit zu vielen Informationen, die sie aus ihrem rosaroten Alltagstraum herausholen.
Was machen Lebewesen, wenn sie Angst haben? Katzen richten ihr Fell auf, machen sich größer, um den vermeintlichen Feind einzuschüchtern. Hunde bellen und versuchen ihm Angst zu machen. Andere Tiere – wie Hasen – rennen weg und versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Und was macht der moderne Mensch, wenn er Angst hat? Er hasst. Sein vermeintlicher Schutz ist der Hass. Er hasst den vermeintlichen Feind statt die Fehler bei sich zu suchen. Dieser Hass endet in dummer Gewalt. Denn Gewalt ist schlicht und ergreifend immer dumm – niemals etwas anderes.
Und diese Dummheit führt dazu, dass Probleme wie die Umweltverschmutzung oder das Schmelzen der Polarkappen verneint werden. Dass vom Krieg traumatisierte Menschen gehasst und ihre Unterkünfte, in denen sie glauben endlich sicher zu sein, angezündet werden.
Vor allem aber führen Hass und Dummheit dazu, dass Menschen nur noch an sich selbst denken und Moral und Zivilcourage vergessen. Sie sind nur auf ihr eigenes Wohl bedacht. Obwohl Leben kein „Peek-a-boo-Spiel“ für Kinder ist, bei dem man selbst der Welt entwischt, sobald man sich die Augen zuhält. Man kann auch keine Mauer bauen, um alle Probleme nicht mehr an sich herankommen zu lassen. Irgendwann muss man die Augen aufmachen und sich der Wirklichkeit stellen.
Es gibt für die Probleme des Lebens niemals eine „einfache“ Lösung. Die Globalisierung mag alles komplizierter machen, doch wo wären wir, gäbe es sie nicht? Niemals könnte Deutschland wirtschaftlich so stark sein. Niemals könnte man in den Genuss eines guten Sushi in Bayern kommen. Niemals könnten sich so viele Kulturen untereinander austauschen. Niemals wäre es möglich – zumindest in der Theorie – gute Punkte von anderen zu übernehmen und schlechte zu ersetzen.
Die Welt wird mit jeder Sekunde in der Wahrnehmung größer, schöner, interessanter und detailreicher. Jeden Moment eröffnen sich neue Möglichkeiten. Doch mit jeder neuen Chance für die Menschheit enthüllt sich auch ein neues Hindernis, das es zu bewältigen gilt.
Es ist nachvollziehbar, Angst zu haben. Aber genau wie das Leben, kann man die Zeit nicht zurückdrehen. Wir haben einen Berg von Problemen. Den müssen wir besteigen, aus Fehlern lernen und der Zukunft – so schnell sie auch auf uns zukommen mag – entgegen zu blicken. Das ist mein Anspruch als 18-jährige. Aber das muss auch der Anspruch in jedem Alter sein.
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