„Ich bin sicher, dass diese Bewegung nicht weggeht.“
Gastbeitrag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze für RAVOLUTION
An einem heißen Sommertag im August 2019 haben wir in Rastatt Umweltministerin Svenja Schulze getroffen und um einen Gastbeitrag für RAVOLUTION gebeten. Hier ist er nun. Erlauben Sie uns zwei Anmerkungen, sehr geehrte Frau Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit:
- Wir hätten uns gewünscht, wenn Sie nicht geschrieben hätten: “… werdet Ihr gemeinsam erfolgreich sein“, sondern vielmehr „Werden WIR GEMEINSAM erfolgreich sein“.
- Unser Zeitungsname RAVOLUTION ist keine aktuelle Reaktion auf das Klimathema und somit keine Anspielung auf revolutionäre Gedanken oder Taten. Rastatt ist die Stadt der badischen Revolution – da haben wir schon vor Jahren gerne ein Wortspiel kreiert.
Hier der Beitrag „von Svenja Schulze für das Jugendmagazin RAVOLUTION Rastatt“ in voller Länge. VIELEN DANK nach Berlin!
„Ravolution klingt nach Revolution – nach radikalem Umbruch in kurzer Zeit, in der Politik, der Mode, der Gesellschaft. Revolutionen bringen etwas Neues, nie Dagewesenes, Unerhörtes. Die Französische Revolution brachte erstmals die Menschenrechte in eine europäische Verfassung, Mary Quant den Minirock auf die Straßen, die industrielle Revolution die Fließbandarbeit, Wohlstand für einige, prekäre Arbeitsbedingungen für viele und damit neue gesellschaftliche Konflikte.
Echte Revolutionen sind selten. Friedliche Revolutionen noch seltener. Und nicht immer verändern Revolutionen alles zum Positiven. Meistens gibt es Gewinner und Verlierer. Und nur wenn die Mehrheit der Menschen die Veränderungen mitträgt, haben sie Bestand.
Die Menschenrechte, die nach dem Vorbild der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1789 in Frankreich erklärt und der ersten französischen Verfassung von 1791 vorangestellt wurden, galten lange Zeit nur für Männer. Erst nach und nach erhielten Frauen die gleichen Rechte, das Wahlrecht sogar erst 1944.
Die Friedliche Revolution vom November 1989, die sich in diesem Herbst zum 30. Mal jährt, war für Deutschland ein großes Glück. Dennoch war die Freiheit, die sich die Bürgerinnen und Bürger der damaligen DDR mit großem Mut erkämpft haben nicht alles, was sie bekommen haben. Manche von denjenigen, die damals mitten im Leben standen, haben ihre Jobs verloren und nie wieder beruflich Fuß gefasst.
Ich bin überzeugt davon, dass Evolutionen – also stetige, natürliche Entwicklung – meist Erfolg versprechender sind als Revolutionen; vor allem, weil die Wahrscheinlichkeit viel größer ist, dass sie demokratisch und damit friedlich ablaufen.
Der Klimawandel ist eine direkte Folge der industriellen Revolution. Und erst in neuester Zeit hat eine Mehrheit der Menschen in Deutschland und weltweit verstanden, welch gravierenden Einfluss er auf unser aller Leben hat. Das verdanken wir nicht zuletzt tausender engagierter Jugendlicher, die jeden Freitag auf die Straße gehen.
Wenn die Regierung vor 15 Jahren von oben revolutionäre, klimaschützende Gesetze erlassen hätte, wäre diese Regierung mit Sicherheit abgewählt– und danach alle Gesetze zurückgenommen worden. Und auch heute gilt: Klimaschutz braucht Mehrheiten. Es ist in unserer Demokratie nicht möglich, gegen den Willen der Mehrheit radikale Veränderungen zu erzwingen. Deshalb mussten wir beim Klimapaket der Bundesregierung Kompromisse finden. Und auch wenn es Kritik daran gibt: Wir sind damit einen riesigen Schritt weitergekommen. Keiner hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass es z.B. einen umfassenden CO2-Preis bei uns geben würde. Ich wurde für einen entsprechenden Vorschlag belächelt. Keiner hätte erwartet, dass wir in einem Klimaschutzgesetz unsere Klimaziele rechtsverbindlich und mit klaren Verantwortlichkeiten festschreiben. Dass wir 54 Milliarden Euro in den Klimaschutz investieren. Und doch hat genau das die Bundesregierung beschlossen.
Auch Greta Thunbergs Protest vor dem schwedischen Parlament wurde zunächst nicht ernst genommen – in diesem Jahr war sie für den Friedensnobelpreis nominiert. Und Fridays for Future wurde von vielen Politikern und Medien zunächst nur vorgehalten, sie würden zum Schwänzen aufrufen. Erst nach einiger Zeit wurde deutlich, was für eine kraftvolle, weltweite Bewegung da entstanden ist.
Ich bin sicher, dass diese Bewegung nicht einfach weggeht. Und das ist gut so. Denn sie wird von denjenigen getragen, die das größte Potenzial für Veränderungen haben: von jungen Menschen. Mit Eurer Stärke, Eurer Überzeugungskraft, Eurer Entschlossenheit, Eurer Phantasie und Eurem unbeugsamen Willen, die Klimakrise zu bewältigen, werdet Ihr gemeinsam erfolgreich sein.
In diesem Sinne gebe ich Euch ein Zitat von Mahatma Gandhi mit auf den Weg, der durch gewaltlosen Widerstand und zähes Durchhalten Indien zur Unabhängigkeit von Großbritannien verholfen hat: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.““
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