“Ihr esst doch auch Quark aus Plastik!”
Die zum Teil seltsamen Reaktionen von Politikern auf unser Klima-Engagement
“Ihr seid doch die, die freitags demonstrieren, Müll hinterlassen und dann zum Burger King gehen.” Womms! Der Satz war ein Gesprächskiller. So gefallen von einem Rastatter Stadtrat bei unseren Klimapolitischen Dialogen. Dahinter verbarg sich die komplette Einstellung: Das ist kein interessierter und höflicher Austausch. Hier geht es um die üblichen Vorurteile: Was wollen die unreifen Kids von uns gestandenen Erwachsenen?
Als Konstanz im Frühjahr 2019 den Klimanotstand ausrief, waren wir elektrisiert. Unsere Themen “Umweltschutz und Klimaschutz”! Wir haben die Petition für Rastatt vorbereitet. Erstmals präsentiert Anfang Juli auf dem Jugendgipfel. Unser Shooting mit RAVOLUTIONÄR Laurin in einem Eisbärenkostüm, schwimmend auf der Murg, sollte als Symbolbild dienen. Wir blieben dabei nicht unentdeckt und bekamen den ersten Presseanruf: “Was habt ihr vor?” Auch wenn das erst im Laufe der folgenden Monate sichtbar wurde: Wir hatten viel vor!
Wir haben uns in das Thema Klimawandel gefuchst. Was sagen Klimaforscher? Wie gravierend ist die Klimakrise? Was kann das für uns bedeuten? Wir haben sehr viel gelesen, angehört und angeschaut – Bücher, Artikel, Tutorials, YouTube-Videos. Viel recherchiert und Interviews geführt: “Wieviel Plastik braucht der Einzelhandel?” Unser Interview mit Jürgen Mäder, Vorstandsmitglied von Edeka Südwest, hat uns gezeigt: Kunststofffrei werden wir nicht leben – aber hoffentlich bewusster und sparsamer. Jedes Info-Baustein hat uns weitergebracht. Vor allem in der Erkenntnis: Das Thema ist explosiv. Normaler Gedankenaustausch mit vielen nahezu unmöglich.
Gerade bei Politikern haben wir gestaunt, wie wenig souverän sie mit uns umgehen.
So wurde auf Mails von uns mit der Bitte um Termin erst mit viel Verzögerung und nach mehrmaligem Nachhaken oder bis heute nicht geantwortet. Mancher Kommunalpolitiker wurde bei unseren Beiträgen aggressiv oder zeigte eine ignorante Haltung “Ich kann nicht für den Klimanotstand stimmen. Ich lasse mir durch euch kein schlechtes Gewissen machen, wenn ich nach Mallorca fliege.”
Wir haben uns in den Sommeferien bis zu drei Mal wöchentlich getroffen. Auch in den Monaten danach haben wir uns auf Gespräche vorbereitet und weiter zusammen getragen, was andere Städte als Reaktion auf die Klimakrise tun. So entstand eine Liste mit weit über 100 Vorschlägen für Rastatt. Alles Maßnahmen, die bereits irgendwo umgesetzt werden. Häufige Reaktion: “Das kann nicht sein!” “Das ist ungesetzlich!” oder “Wisst ihr nicht, was das kostet?” Und immer wieder der Widerstand gegen den Begriff KlimaNOTSTAND, der von mittlerweile über 60 Städten in Deutschland, von Österreich oder auch der Europäischen Union ausgerufen wurde.
Während wir an unserem Thema arbeiteten, setzte die Stadt Rastatt erste Maßnahmen um. Ein Kräuterbeet auf einer Verkehrsinsel zum Beispiel. Das wird unseren Planeten nicht retten – aber es macht die Summe der Einzelmaßnahmen aus. Vor der eigenen Haustür und für jeden Bürger nachvollziehbar und mit der Möglichkeit, selbst mitzumachen. Klar, die Themen Klimaschutz und Umweltschutz vermischen sich. Aber uns geht es um eine erhaltenswerte Natur, einen bewohnbaren Planeten und Lebensqualität für die nächsten Generationen!
Unsere Petition “Rastatt ruft den Klimanotstand” aus , werden wir allein von der nötigen Stimmenanzahl verfehlen. Wir konnten nicht genug Unterschriften von Rastattern sammeln. Dahinter steckte viel Misstrauen (“Für was braucht ihr meine Mailadresse?”) und viel Skepsis (Das bringt doch hier nichts!”). Ein Grund mehr, warum wir von Oberbürgermeister, Stadtverwaltung und Gemeinderat mehr Geschlossenheit und Mut fordern. Um den Bürgern zu sagen, wie dringend Maßnahmen sind, und dass wir alles ökonomisch UND ökologisch auf den Prüfstand stellen müssen.
Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos, wenn wir JETZT handeln!
Wir haben fast erwartungsgemäß Verbündete in den Grünen und Linken gefunden, zum Teil in der SPD. Viel Widerstand in der CDU (“Ihr esst doch auch Quark aus Plastikbechern” war nur eine von mehreren desstruktiven Aussagen) und ein sehr gutes Gespräch mit einem FDP-Stadtrat. Die AfD-Stadträte hatten wir nicht eingeladen, erst recht nicht nach Beschimpfungen auf Facebook. Mit den anderen Wählergruppen kam kein Termin zustande. Leider konnten sich die Grünen und auch die SPD nicht auf einen gemeinsamen Antrag an den OB und für den Gemeinderat einigen. Dabei wäre bei dem Thema ein gemeinsamer Schulterschluss – partei- und auch generationenübergreifend – sehr wichtig. Erst recht ein gemeinsames Konzept! Die Klimakrise ist für uns immer wieder eine Kommunikationskrise. Als in der Hauptverkehrsader durch Rastatt Tempo-30-Schilder aufgestellt wurden, war das Geschrei bei Autofahrern groß. Wie gut hätte da mehr Information und Aufklärung getan. Gerade wenn das Bewusstsein für Zusammenhänge fehlt. Das wiederum haben wir uns erarbeitet. Auch durch Gespräche mit Scientists for Future! Wir danken für die Unterstützung!
Und jetzt? Ein Klimaforscher am KIT hat uns zugerufen: “Weitermachen!” Ja, aber nicht mehr mit dieser Energie. Politiker haben es geschafft, die Freude der Schüler und Studierenden an Engagement und Politik auszubremsen. Die nächste Ausgabe von RAVOLUTION ist in der Mache. Thema: Freiheit. Wohl auch die Freiheit zum Protest und zur Verweigerung. Zum Glück haben wir die Freiheit, unsere Meinung zu sagen. Ja, das Recht auf unterschiedliche Meinung, aber nicht auf unterschiedliche Fakten. Das hatten wir schon vor drei Jahren Mr. Trump in einem Brief geschrieben: “Die Zukunft gehört uns!” Das Thema wird alle Ignoranten überleben. Doch zu welchem Preis?
Übrigens: Das Foto zeigt uns beim Treffen mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Sie stand uns freundlich und interessiert Rede und Antwort. Das haben wir so nicht mit jedem Politiker erlebt.