Der Bundespräsident – auch nur ein Mensch?!
Treffen mit Frank-Walter Steinmeier und die Suche nach Politik der Zukunft
Wahlmüdigkeit. Politikverdrossenheit. Mangelndes Vertrauen in Politiker. Das sind die Schreckgespenster der Demokratie. Was erwarten wir jungen Menschen von Politik? Wie sollen Politiker sein? Was müssen Parteien bieten? Das werden unter anderem die Themen unserer 3. Online-Ausgabe vor den Bundestagswahlen am 24. September sein. Vorab ein Erfahrungsbericht: Unser Treffen mit dem Bundestagspräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Rastatter Schloss. Wir – Jess und Sandra – waren in den Gesprächskreis eingeladen.
Unser erster Gedanke zu Frank-Walter Steinmeier: Bundespräsident. Zweiter Gedanke: SPD. Und dann? Irgendwie scheinen Politiker mit hohen Ämtern immer sehr weit entfernt und auf ihr Amt reduziert. Durch die Medien wird eine Distanz und Unerreichbarkeit aufgebaut. Doch was, wenn man sich dann doch einmal persönlich mit einem Politiker unterhält? Was ändert sich dann? Für einen ganz persönlich in der Wahrnehmung und Einschätzung?
20 Jugendliche aus Rastatt durften diese Erfahrung Anfang Juli machen. Wir waren zwei davon. Der Bundespräsident, begleitet von seiner Frau Elke Büdenbender, kam nach Rastatt, um sich die Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte anzusehen und fragte uns anschließend in einem Gesprächskreis nach unserer Meinung zu Politik und Engagement.
Die Aufregung war groß. Nach eineinhalbstündigem Warten und verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen betrat der Bundespräsident den Raum. Alle standen auf und applaudierten, wie zuvor besprochen. Es war eine angemessene Begrüßung und doch schien es uns ein wenig übertrieben. Er ist der Bundespräsident – aber ist er nicht auch „nur“ ein Mensch? Die anfängliche, von Respekt und Nervosität geprägte Distanz schlug bald in eine offene, lockere und doch ernste Stimmung um. Auf alle Fragen kamen meist sogar mehrere Antworten von verschiedenen Jugendlichen und aus dem Frage-Antwort-Rhythmus wurde schnell eine richtige Diskussion.
Eine Schülerin erwähnte die verrücktspielenden „Hormone“, ein anderer verwendete das Wort „Scheiße“, auf das der Bundespräsident zwar kurz mit einem Augenbrauenzucken reagierte, diese Formulierung dann aber entspannt hinnahm. Die Themen reichten von sozialem Engagement über die Definition von Politik bis hin zu Förderungsmöglichkeiten des politischen Interesses von jungen Menschen. Jeder konnte seine Meinung offen äußern.
Im Anschluss an das Gespräch folgte die Würdigung des Denkmals für die standrechtlich erschossenen Freiheitskämpfer von 1849. Mit einem Blumenstrauß und einem Moment der Stille, begleitet von dem Knipsen der Pressekameras, würdigte der Präsident das Denkmal.
Besonders im Gedächtnis blieb uns das Bild eines jungen Flüchtlingsmädchens, das den Präsidenten um Hilfe bat, um in Deutschland bleiben zu können. Er reagierte freundlich und verständnisvoll und riet ihr, sich an den Stadtrat zu wenden. Das Staatsoberhaupt hinterließ insgesamt einen sympathischen und ehrlichen Eindruck mit wirklichem Interesse an der Meinung von Jugendlichen. Gewünscht hätten wir uns, noch mehr unserer eigenen Punkte in die Diskussion einbringen zu können und selbst auch einige Fragen stellen zu können. Vielleicht bei einem nächsten Mal?
Den Bundespräsidenten getroffen zu haben, ist eine Ehre für uns und war ein intensives Erlebnis, das sicher allen 20 Schülern in Erinnerung bleiben wird. Die Politik ist uns noch einmal näher gekommen und besonders eindrücklich war die Erfahrung, dass auch ein, so weit entfernt scheinender, Bundespräsident, ein einfacher Gesprächspartner auf Augenhöhe sein kann und auch er, wie wir, „nur“ ein Mensch ist. Die Suche, wie Politik sein muss, damit sie Menschen erreicht und damit wir Jugendlichen uns ernst genommen fühlen, geht weiter!
Foto: Federica Paganelli Overlack