Gentechnik: Die Zukunft beginnt heute
CRISPR – der Kampf für eine bessere Welt
Im Juli 2017 gingen chinesische Mediziner im Kampf gegen Krebs in die nächste Runde. Dabei setzten sie auf eine Waffe, die kleiner ist als eine menschliche Zelle. Ihr Name ist CRISPR. In einer fortlaufenden Studie wird sie erstmals direkt im Körper von potenziellen Krebspatienten erprobt. Im Unterschied dazu entnahm man bei früheren Studien zuerst Zellen des Immunsystems und veränderte sie außerhalb des Körpers. Doch ist die Anwendung direkt im Körper überhaupt sicher? Diese und weitere mögliche Fragen sollen hier beantwortet werden.
Was ist CRISPR?
Das ist ein System aus zwei miteinander kooperierenden Molekülen. Eines der beiden hat die Aufgabe, Gene an bestimmten Stellen “festzuhalten”. Das zweite Molekül zerschneidet anschließend den fixierten Genabschnitt. Dadurch werden in höher entwickelten Zellen Mechanismen zur Reparatur ausgelöst.
Was soll das bringen?
Zum einen erleichtert es die Forschung. Wenn man die Funktion eines oder mehrerer Gene studiert, schaut man meist erst, was im Organismus passiert, wenn das Gen inaktiv ist. Um ein Gen zu inaktivieren, wird es so zerschnitten, dass es nicht mehr abgelesen und in Proteine übersetzt werden kann.
Nehmen wir an, die Hypothese lautet: Gen “a1” ist für die Fellfarbe der Maus zuständig, es löse die Herstellung von dunklen Farbpigmenten aus. Um die Aussage zu prüfen, schaltet man das Gen in den Keimzellen von Mäusen ab. In den Nachkommen kann das Merkmal schließlich überprüft werden: Ist das Fell weiß geworden? Nur weniger dunkel?
Bei den früher konventionellen Methoden der “Genschnippelei” konnte nicht garantiert werden, dass nur an einer Stelle zerschnitten wurde. Dies bedeutet, dass anhand eines Experimentes allein nicht immer auf den Wirkungsraum eines Gens geschlossen werden konnte. Womöglich ist die Maus der nächsten Generation auch noch erblindet, weil Gene für die Strukturen in den Augen verändert wurden, da diese identische Schnittstellen aufwiesen.
Mit CRISPR seien bei sauberer Anwendung angeblich unwillkürliche Schnitte ausgeschlossen. Man ist nicht mehr auf die “Suchfunktion” der ehemaligen Mittel angewiesen. Diese konnten nämlich nur spezifische Muster schneiden. Die Forscher hatten sozusagen eine begrenzte Anzahl an Schlüsseln und konnten nicht jedes Schloss entriegeln. Nun können sie für jedes mögliche Schloss einen passenden Schlüssel schnitzen.
Zum anderen eröffnet es ein breites Spektrum der Anwendung in den Bereichen der Landwirtschaft und der Medizin. Nutzpflanzen ließen sich von der Methode vermeintlich spurlos verändern, um zum Beispiel den Ertrag zu erhöhen oder Resistenzen gegen verschiedene Parasiten einzubauen. Eine andere übliche Methode für den Einbau für Resistenzen ist die Übertragung über bestimmte Pflanzen befallende Bakterien, welche durch genetische Veränderung unschädlich gemacht wurden.
In der Medizin bietet sich die Methode unter anderem für die Vorbereitung von zahlreichen Gentherapien an. Entnommene Zellen des Erkrankten werden modifiziert, sodass sie wieder ihre ursprüngliche Aufgabe (zum Beispiel die Immunantwort) im Körper übernehmen können. Man könnte allerdings auch tiefgehender Eingreifen und die Methode direkt im Körper der Patienten anwenden.
Birgt das nicht Risiken?
Es kommt sehr darauf an, wofür man die Methode anwendet. In der oben erwähnten Studie hat man es auf einen Virus abgesehen, der im Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wenn man also CRISPR so umbaut, dass es nur am viralen Gen binden kann, kann es theoretisch auch nur da schneiden. Allerdings sollen Experimente vorgekommen sein, bei denen das schneidende Enzym einen falschen Bereich in Angriff nahm. Ob dies ein Produkt von stümperhafter Arbeit war, ist zwar möglich, sollte jedoch nicht pauschal angenommen werden.
Es ist also eine heikle Angelegenheit, nicht nur wegen einer gewissen Fehlerrate vom Schneiden-Enzym, sondern auch wegen möglichen Veränderungen der Keimbahn. Werden nämlich nicht nur in körperlichen Zellen, sondern auch in den Geschlechtszellen von Menschen Genveränderungen vorgenommen, reichen die Wirkungen über Generationen. Neben unvorhersehbaren gesundheitlichen Nebenwirkungen wird es wegen solchen Eingriffen auch in Zukunft Diskussionen über die ethische Vertretbarkeit geben.
Welche ethischen Fragen kommen bei solchen anthropologischen Interventionen auf?
Bereits heute geraten vorgeburtliche Diagnose-Methoden häufig in Kritik, da sie werdenden Eltern manchmal einen Grund geben, die Schwangerschaft abzubrechen. Mit genetischen Eingriffen bei künstlichen Befruchtungen steigt das potenzial weiter, gegen Erbkrankheiten und gesundheitsschädigenden Mutationen vorzugehen.
Wir greifen damit in natürliche Prozesse ein und werten, was gut und was unerwünscht ist. Ferner entsteht die Gefahr, dass in Zukunft bestimmte Ideale stärker denn je angestrebt werden, da sie immer leichter zu erreichen sind. Auf der anderen Seite werden jene isoliert, die sich nicht der gesellschaftlichen Ausrichtung anpassen. Vergleichen Sie es mit der Stellung von sozial und wirtschaftlich schwächeren Familien in Deutschland, die häufig abgegrenzt vom Rest leben. Es entstehen Vorurteile, da die Gruppen meist wenig Kontakt pflegen und Aufstiegs-Chancen werden so schwindend gering. Sollen also Menschen mit bestimmten Merkmalen nur gesellschaftlich abgestuft werden, weil diese Merkmale entfernbar waren?
Beim Eingriff in andere Spezies ist von absoluter Relevanz, dass Folgen auf die Nahrungskette entstehen können und werden, wenn mit eingeschränktem Gesamtüberblick gehandelt wird. Die Natur können wir nicht abstellen, während wir sie verändern. So kam es schon zu ersten ironischen Ergebnissen bei Versuchen an Mücken: Mücken sollten nach Laborversuchen in einem semi-offenen Testlauf gegen Malaria resistent werden. Über einige Generationen hat sich diese Resistenzen erhalten, jedoch entstand durch natürliche Mutation schließlich eine “Resistenz” gegen CRISPR. Die Sequenz, an der es schneiden sollte, war mutiert und somit nicht mehr erkennbar, deshalb waren mutierte Individuen wieder von Malaria befallbar. Eine Großanwendung deshalb noch nicht möglich.
Bei der Pflanzenzucht und dem Verkauf dieser Produkte wird diskutiert, wo die Grenze für die Bezeichnung “ohne Gentechnik” zu setzen sei. Spontane Mutationen sind natürlich, jedoch ist es bereits möglich, Mutationen durch Werkzeuge wie CRISPR zu erzeugen und diese Werkzeuge anschließend wieder zu inaktivieren. Wenn ein Produkt durch “Gen Editing” einem natürlich mutierten Organismus gleicht und man einen Eingriff nicht nachweisen kann, ist es dann gerecht, die Produkte kenntlich zu machen? Und wie soll man die gen-technischen Erzeugnisse kennzeichnen, wenn man sie als solche nicht mehr entlarven kann?
Wie könnten sich Gentechnik und anliegende Forschungsbereiche entwickeln?
Exponentiell. Jedes Forschungszentrum wäre gerne Pionier in einem Bereich. So, wie die Chinesen an der Spitze der “CRISPR-Revolution” stehen, werden weltweit neueste Erkenntnisse gewonnen und geteilt.
Solange sich die Gesellschaft und die Legislative fortlaufend informieren über die aktuelle Forschung, können bei zu waghalsigen Vorhaben Riegel vorgeschoben werden. Dies ist allemal nötig in einer Zeit, in der das menschliche Handeln in gottgleiche Gefilde empor strebt.
Und wie sehe ich es persönlich?
Als Absolvent des Biotechnologischen Gymnasiums der Anne-Frank-Schule in Rastatt habe ich in den vergangenen drei Jahren oftmals gestaunt. Es ist einfach faszinierend, wie weit wir in der Forschung bereits gekommen sind. Das Human-Genome Project beispielsweise: Das gesamte Genom des Menschen wurde über Jahre mühevoll erschlossen, viele Forschungsteams arbeiteten vereint daran. Die Leidenschaft für das Wissen ist ansteckend. Beiläufig bewerteten wir Forschung und Anwendung der Genveränderung auf ethischer Basis.
Ich werde wahrscheinlich in Zukunft nicht in dieses Feld der Forschung eintreten, aber ich möchte durch eigene Recherche und Gespräche mit Experten auf jeden Fall wissen, wohin die Entwicklung wandelt. Ich glaube, dass das Thema Genveränderung für die Natur eine näherungsweise ebenbürtige Rolle spielt wie der anthropologische Klimawandel. Mir kommt es ganz klar vor, dass das Gen-Editing eine wichtige Rolle im Kampf gegen Krankheiten spielen wird. Jedoch gehe ich auch davon aus, dass es durch zu frühe Anwendung auf breiter Fläche eine größere Gefahr für ein Ökosystem und schlussendlich für den Menschen darstellen wird. Deshalb denke ich: Es müssen repräsentative Forschungsergebnisse her und die Öffentlichkeit muss Druck ausüben, um waghalsige Experimente zu unterbinden. Dennoch sollten die Möglichkeiten, sofern sicher ausführbar, nicht wegen veralteten Gesetzmäßigkeiten und eingerosteten Meinungen vernachlässigt werden. Menschen lernen ein Leben lang, um komplexe Vorgänge zu verstehen. Der Grund für mich, den Chinesen beim Kampf gegen Gebärmutterkrebs zu applaudieren.
Foto: Jens Lingenau