Bleibt der Mensch auf der Strecke?
Der Computer übernimmt die Rolle der überlegenen Intelligenz
Matrix. Terminator. I,Robot. Eagle Eye. – Die Filmwelt ist voll davon. Übermächtige Supercomputer, die uns unterwerfen wollen und Attentate auf die Regierung planen oder Menschen gleich als Energieproduzenten verwenden. Tatsächlich warnen Experten und – darunter Stephen Hawking und Bill Gates – energisch vor Entwicklungen in der Forschung. Für Tesla-Gründer Elon Musk stellt sie die „größte existentielle Gefahr, die es gibt“, dar. Als Vergleich dient die Entwicklung der Atombombe. Zur Zeit entsteht ein riesiges Potenzial – und Menschen hoffen oder wittern Gefahr. IT-Firmen investieren um die Wette und zieren sich nicht vor großen Versprechen. Künstliche Intelligenzen sind hier große Hoffnungsträger, mögliche Lösungen für Klimawandel bis hin zu Wirtschaftskrise. Können wir uns also auf eine übermenschliche Superintelligenz einstellen, die uns in Kürze überrumpeln wird?
Ganz so einfach ist es dann doch nicht! Also, die Hamsterkäufe vorerst zurück ins Regal, und die Panik für die nächste Katzen-/Inder-/Ratten-Grippe aufsparen! Eine humanoide Künstliche Intelligenz (KI), die uns in nichts nachsteht und selbstständig denken kann, wird als „starke“ KI betitelt. Wie genau sie zu definieren ist, scheitert an der Definition der menschlichen Intelligenz und unserem Unverständnis über die Entstehung des Selbstbewusstseins. Dieses Selbstbewusstsein, falls künstlich erzeugbar, wäre ethisch höchst problematisch.
Sofort würden die Fragen nach Verantwortung und Rechtsanlage aufkommen. Ein eigennütziges Denken könnte ebenfalls damit einhergehen. Die Forschung ist aber nicht sicher, ob so etwas überhaupt funktionieren kann. Von einer „starken“ KI sind wir noch meilenweit entfernt. Entwickler konzentrieren sich auf Teilbereiche des menschlichen Denkens und bauen spezifische oder „schwache“ KI’s. Diese können für bestimmte, bekannte Probleme selbstständig Lösungen erarbeiten, eine Art spezialisierter Selbst-Programmierer.
Der Boom der letzten Jahre ist hauptsächlich durch die Verwendung von künstlichen neuronalen Netzwerken gekennzeichnet, welche dem menschlichen Gehirn nachempfunden wurden. Diese werden in Schichten übereinander platziert und arbeiten zusammen und nach dem Prinzip der Mustererkennung. Sie werden trainiert. Man gibt eine Aufgabe vor. Zum Beispiel: Erkenne eine Katze auf dem Foto. Nun stellt man unzählige Katzenfotos zur Verfügung, ohne eine Aussage über das genaue Aussehen zu machen. Der Computer versucht einfach drauf los und wird bei Erfolg bestätigt.
Bei einem Fehler versucht er das Zusammenspiel der Zellen und Schichten anzupassen. Das System betreibt Mustererkennung innerhalb der Mustererkennung. Die besseren Muster, also Taktiken werden beibehalten, die schlechten abgeändert. Zugestanden, es ist nur das vereinfachte Grundprinzip. Doch, wenn man sieht, zu was selbstlernende Software mittlerweile fähig ist, erkennt man schnell, welche Kraft so eine „schwache“ KI haben kann. Sprach/Bild/Schrifterkennung und Analysen auf höchstem Niveau. Chatbots werden immer besser in der Kommunikation. Selbstfahrende Autos oder Diagnosesysteme für Krebs, die mit der Treffsicherheit eines Arztes Symptome auswerten und Therapiemöglichkeiten vorschlagen. Am MIT forscht man an Software, um Emotionen zu lesen, und IBM hat seinen Supercomputer „Watson“ 2016 als Präsidentschaftskandidat aufgestellt.
Die künstliche Intelligenz von heute ist kein humanoider Roboter, sondern eine Software, die aus Trainingsdaten mehr oder weniger selbstständig lernen kann. Die wichtigste Voraussetzung ist also ein riesiger Datenberg, das Silicon Valley hat hier die Nase vorn. Durch den Ankauf von Start-Ups und dem Anwerben von Experten wird das Ganze auf die Spitze getrieben. Die Bemühungen gipfeln im Einbau der KI in Internetseiten und Smartphones, um sie in den Alltag zu integrieren und von uns lernen zu lassen. Zum „Internet der Dinge“ gesellt sich die „Intelligenz der Geräte“. In einigen Jahren könnten wir unseren Kühlschrank dabei erwischen, wie er mit unserer Mikrowelle über unsere Speckfalten lästert… Nein, das übernehmen, wenn überhaupt die Firmenbosse aus dem kalifornischen Tal. Eher noch wird nur automatisch und emotionslos eine ökonomisch wertvolle Reaktion darauf berechnet. Jeder kennt bestimmt den Satz: „Was will die NSA schon mit meinen Daten?“ Richtig, jeden Bürger überwachen wäre zu aufwendig. Jedoch ist dies mit der richtigen Software für Firmen ganz einfach automatisierbar. Künstliche Intelligenz analysiert uns und leitet Handlungsoptionen ab. Es ist vielleicht gar nicht die KI selbst, die uns zum Verhängnis wird, sondern am Ende doch wieder nur der Mensch, der die Klinge führt. Längst ist der Handel mit User-Daten, speziell in der Werbe-Branche, ein großes Geschäftsfeld. Man wartet vielleicht nur auf den digitalen Mittelfeldspieler. „Wissen ist Macht!“ wird digitalisiert und quantisiert zu: „Daten sind Geld!“ Wollen wir da wirklich auf die Gutmütigkeit von profitorientierten Oligopolen aus den USA vertrauen?
Als Demonstration der Stärke von Computern ist ein bestimmtes Ereignis besonders groß in den Medien angepriesen worden. Im letzten Jahr besiegte ein Computer den momentan besten Go-Spieler der Welt. Dieses Spiel ist wesentlich komplexer als Schach und bietet so viele mögliche Spielzüge, dass selbst Profis mal aus dem Bauch heraus entscheiden müssen. Und die besten Rechenkapazitäten nicht ausreichen würden, alle Möglichkeiten miteinzubeziehen. Die Software entwickelte im Training gegen sich selbst Taktiken, die nie zuvor gesehen wurden und ließ den menschlichen Widersacher ganz schön blöd dastehen. „Wie zum Teufel hat dieses Teil das gemacht?“, wäre wohl als Frage an die Entwickler angebracht. Ironischerweise aber waren es die Entwickler selbst, die den Go-Spieler fragten, wieso ihr System so gehandelt haben könnte. Denn was genau sich in den Schichten des neuronalen Netzes abgespielt hat, das weiß keiner. Eine sogenannte „Black Box“. Bedeutet: Man kennt Input und Output, dazwischen tappt man im Dunkeln.
90 von 100 führenden KI-Experten weltweit meinen bis 2070 haben Maschinen den Menschen in allen kognitiven Vorgängen übertroffen. Ab dem theoretischen Zeitpunkt der technologischen Singularität, also dem Moment, in dem Maschinen menschliche Intelligenz einholen und an ihr vorbeirasen, können die Denkschritte der KI unmöglich nachvollzogen werden. Der Mensch müsste nichts mehr erfinden oder erarbeiten. Der Computer übernimmt die Rolle der überlegenen Intelligenz auf unserem Planeten. Ob früh oder spät, vielleicht noch in unserer Lebenszeit. Viele enthusiastische Forscher glauben an diesen Vorgang. Mit der Befürchtung, dass der Mensch auf der Strecke bleibt. Ich sagte zwar, wir sind noch viele Meilen entfernt von einer Super-Intelligenz, doch was ist heutzutage schon eine Meile?
Nun kommen wir uns doch wieder vor wie in einem Hollywood-Blockbuster. Wem das zu viel Science Fiction war, der sollte lesen:
https://www.ravolution.de/die-zukunft-braucht-keine-arbeiter/
Wer angsterfüllt den Beschluss fasst, alle technischen Geräte im Haushalt vom Strom zu trennen und diese in einem öffentlichen Protest im Garten zu verbrennen, sollte bedenken: Das Schöne an der Zukunft ist, dass man sie nicht vorhersagen kann. Oder wie es der Physiker Nils Bohr ausdrückte: “Vorhersagen sind immer schwierig – vor allem über die Zukunft.”
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