Wir müssen anfangen, klein zu denken
Jeder kann die Welt verändern – und bei sich beginnen
An einem viel zu warmen Wintertag holte ich mir ein Eis. Natürlich in der Waffel, ich lebe ja umweltbewusst. Am Eisladen sah ich eine Familie. Ich hörte, wie das Kind sagte: „Wenn ich einmal groß bin, möchte ich die Welt verändern!“ Ein nobles Ziel, dachte ich mir. Es streben bestimmt viele danach, aber sind wir mal ehrlich, das ist völliger Unsinn. Man kann nicht einfach „die Welt verändern“. Wo soll man den anfangen? Die Liste ist viel zu lang: Verschmutzung des Trinkwassers. Schadstoffe durch die Industrie. Todesstrafe. Sklaverei. Tödliche Krankheiten. Welthunger. Naturkatastrophen. Klimaerwärmung. Kriege und Flüchtlinge. Kindersterben. Nuklearwaffen und und und. Aktuell kommt auch noch der Plastikmüll dazu, deswegen die Eiswaffel.
Doch dieses Kind möchte einfach die Welt verändern. Klar, die Polkappen schmelzen wie mein Eis in der Hand, aber davon bin ich doch nicht betroffen. Sagt man sich das nicht jeden Tag? Man sollte es eher so wie Gero Storjohann (CSU), MdB, machen. Er meinte, am Tag der Ein- und Ausblicke im Bundestag, er nutze alles außer einem Boot: SUV, Flugzeug und ab und zu auch mal das Fahrrad. So müsse das sein. Man müsse ja sein Leben genießen. Auch den wohlverdienten Urlaub am anderen Ende der Welt einmal im Jahr. Die Komfortzone ist das Paradies auf Erden! Stattdessen soll ich an das Wohl dieses Kind denken?
Obwohl es eh nichts verändert, darf ich keinen Spaß mehr haben? Ich muss stets politisch korrekt denken und handeln? Nein, nein, dieser unausstehliche Egoismus dieses Kindes! Immer nur ich, ich, ich. Nur weil es später mal halbwegs vernünftig leben will.
Ich denke nicht so. Aber ich kann mir vorstellen, dass manche Menschen so oder so ähnlich urteilen, was traurig ist. Dennoch stellt sich die Frage: Wie soll ich die Welt verändern? Denn das scheint bei den aktuellen Herausforderungen unmöglich. Ich lese häufig, wie unüberwindbar unser Problem mit den Abgasen ist. Im Vergleich zur Welt sei unser Anteil marginal. So auch Johannes Huber (AfD), MdB, ebenfalls am Tag der Ein- und Ausblicke, der Sandra und mir die gleiche Leier erzählte. Und neulich beklagte sich im SWR3 eine Frau, dass in den USA allein in den Hotels täglich Tonnen an Plastik weggeworfen werden. Sie sei betrübt, da unser Verzicht hier in Deutschland dadurch nichts bringen würde.
Doch genau das ist der falsche Gedanke. Jede Plastiktüte macht einen Unterschied. Wir können uns nicht davor drücken, indem wir sagen: „Die anderen machen es doch auch“. Das ist die schlimmste und unmoralischste Ausrede, die es gibt. Das ist absolut keine Entschuldigung. Oder war die Hexenverfolgung richtig, weil es „die anderen“ auch machten?
Wir müssen anfangen, klein zu denken. Wir können es nicht allen recht machen. So wie der überspitzt dargestellte Monolog zu Beginn eine Weltsicht hat, habe ich eine andere. Jeder lebt in seiner eigenen kleinen Welt. Das müssen wir akzeptieren, denn das macht eine Demokratie aus. Wir können aber versuchen, die anderen mit unserer Weltsicht zum Umdenken zu bewegen. Lieber den Stoffbeutel zum Einkaufen mitnehmen, lieber Fahrrad fahren, lieber ein wenig Geld spenden, als den Müll von morgen zu kaufen. Vorbild sein. Dadurch können wir dafür sorgen, dass andere Menschen sich das abgucken. Dadurch kann in ganz Deutschland solch ein Denken entstehen.
Und gerade wir in Deutschland und in Rastatt müssten verstehen, was dabei alles passieren kann. Durch den gemeinsamen Willen, ein geeintes Deutschland zu schaffen, entstand die Deutsche Revolution 1848/49, die in Rastatt endgültig scheiterte. Das Ziel der Demokratie in Deutschland wurde aber, wie wir zu gut wissen, dennoch erfolgreich erreicht.
Denken wir wieder kleiner. Das Ziel, die Welt zu verändern, ist sehr kräfteraubend. Das wissen vor allem Menschen im ehrenamtlichen Bereich. Es entstehen non-stop neue Baustellen. Wir dürfen aber nicht vergessen: Es gilt nicht nur eine Welt zu verändern. Denn dann würden wir maximal an uns selbst denken. Es ist wie bei dem Kind zu Beginn. Es muss nicht warten, bis es groß ist, um die Welt zu verändern. Es hat, durch seine Worte, seinen Eltern (und auch mir) ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Somit hat es in diesem Augenblick nicht nur eine, sondern gleich zwei Welten verändert. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen!