“Wir könnten wirklich gute Lehrer hinkriegen”
Interview mit dem Vorsitzenden des Landesschülerbeirates
Bei der Landesschülerkonferenz 2018 haben wir von RAVOLUTION Joachim Straub, den Vorsitzenden des Landesschülerbeirates, interviewt. Joachim ist 19, kommt aus Reutlingen und hat 2017 Abitur gemacht.
RAVOLUTION: Wie hat dir die Podiumsdiskussion mit der Kultusministerin Susanne Eisenmann gefallen? Was schätzt du, wird sie ihre Versprechen halten?
Joachim Straub: Die Diskussion war richtig gut, so eine gute hatte ich noch nie mit ihr, sonst war ich zum Schluss immer ein wenig deprimiert. Weil ich gemerkt habe, du engagierst dich und bereitest dich vor was du sagen willst, aber es kommt nichts bei raus. Hier hat sie tatsächlich zwei Zusagen gemacht. Einmal, dass sie gesagt hat „einen Tag können wir geben für ein richtiges Praktikum”. Das ist schon geil, das muss ich einfach so sagen. Und auf der anderen Seite, dass sie gesagt hat „Okay, Erwähnungen im Zeugnis für SMV-Engagement kriegen wir hin”. Eventuell auch eine Anrechnungsstunde, da war sie aber noch ein bisschen kritisch. Dementsprechend kommen wir auf sie zu, wir fassen das nochmal in schriftlicher Form, was sie versprochen hat und sagen ganz klar „So, das wollen wir jetzt auch, weil das haben genug Leute gehört!“ Das war die beste Podiumsdiskussion, die ich je mit ihr hatte.
RAVOLUTION: Wie war das in anderen Diskussionen mit ihr? Was ist nicht gut gelaufen?
Joachim Straub: Da klang es bei ihr eher nach: „Ach ja, da ist ein Missstand, das nehmen wir mal mit, wir bearbeiten das…” Und du hörst nie wieder was davon, Tschüss, Aus, Ende.
RAVOLUTION: War das heute konkreter?
Joachim Straub: Da gibt es jetzt ein paar Lichtblicke, wo ich sagen kann „Okay, jetzt hat’s was gebracht, dass wir es gemacht haben“. Was ich schade fand, dass zum Thema Qualität zu wenig kam. Bei all den verschiedenen Unterrichtsmethoden finde ich, da ist sie ausgewichen und das ist nicht gut.
RAVOLUTION: Was wäre denn dein persönlicher 5-Punkte-Plan für Baden-Württemberg, für das Schulsystem, wenn du in der Bildung was verändern könntest?
Joachim Straub: Gute Frage! 1. Punkt wäre, dass die Schulleiter mehr Eigenständigkeit bekommen und wirklich dafür verantwortlich sind, dass Lehrer richtige Unterrichtsentwicklung betreiben und zwar mit den Schülern zusammen. Ihr kennt das selbst. Ich will’s jetzt nicht aufs Alter schieben, aber der ältere Mathelehrer, der macht’s halt aus dem Buch und der macht’s genau gleich wie immer. Da sollte der Schulleiter sagen: „Nee so geht’s nicht, wir kommen zu ihnen einmal im Jahr und sagen dann, sie müssen die zwei Fortbildungen machen, damit es weiter geht“ Also, 1. Punkt: Unterrichtsentwicklung durch „Schulleitung motiviert“.
Der 2. Punkt wäre auf jeden Fall, dass Schülersprecher sich auf regionaler Ebene vernetzen. Ich finde das so cool, in Karlsruhe zum Beispiel, gibt es einen Stadtschülerrat, wie aber auch in Freiburg, so dass da große Projekte entstehen können. Ich würde engagierten Schülersprechern einen Mittag in der Woche total freihalten.
3. Punkt: Ich will Tablets und Laptops im Unterricht sehen, ich finde Papier ist schon schön, aber man kann mehr machen. Wenn man jetzt zum Beispiel auf die amerikanischen Universitäten schaut, die natürlich aus der Wirtschaft viel mehr subventioniert werden, dann ist man dort auf einem ganz anderem Lernniveau. Das wäre doch auch etwas für unsere Schulen.
RAVOLUTION: Wobei sich auch schon etwas in Deutschland tut, wenn auch nicht gerade gleichwertig. Im Technischen Gymnsium, bei uns in Rastatt, bekommt jeder im kommenden Schuljahr ein Tablet, das man auch mit nach Hause nehmen darf. Dagegen hat das Ludwig-Wilhelm-Gymnasium schon Schwierigkeiten, in jedem Raum einen funktionierenden Laptop bzw. Beamer bereitzustellen.
Joachim Straub: Genau und das ist halt nicht gut. Wenn, dann für alle ein Mindeststandard! Ich fände es cool, wenn es jedes Jahr eine Woche für ein Praktikum gäbe, aber immer in einem anderen Industriezweig. Ich war auch mal in einem Altenheim, da habe ich gemerkt, dass ich das nicht packe.
RAVOLUTION: Was wäre, wenn du genau eine Reform in den nächsten 10 Jahren durchsetzen könntest, in Baden-Württemberg oder auch in ganz Deutschland. Was wäre das?
Joachim Straub: Ich denke, ich würde es einmal probieren mit Abitur im eigenen Takt. Damit man eigenständig sagen kann, wie stark man selbst allgemeingebildet werden möchte: An manchen Unis gab es diesen Studiengang, wo man in verschiedenen Fachrichtungen in verschiedene Vorlesungen geht, also quasi Schule weitermacht. An der Uni aber im eigenen Takt. Ich fände es cool, wenn man sich an der Schule noch mehr selbst aussuchen könnte, welche Wahlfächer genommen werden. Das würde ich gerne ausprobieren, um danach sagen zu können: „Bringt nichts!”. Oder im Gegenteil: Wir haben dann wirkliche Käpsele.
RAVOLUTION: Noch eine Frage, was wäre, wenn wir es wie in Skandinavien machen: Bevor ein Lehrer überhaupt seinen Beruf studieren darf, muss er sich zuerst eine Qualifikationsbescheinigung von einem Psychiater ausstellen lassen: Ob er überhaupt in der Lage ist, die „Bürde eines Lehrers“ wie es in der Podiumsdiskussion gesagt wurde, zu tragen.
Joachim Straub: Ich finde schon, dass das Auswahlverfahren anders gestaltet werden sollte. Durch Pädagogen und nicht durch Psychologen. Das sollte nicht als Einschränkung oder Hindernis wirken, um Lehrer zu werden. Wir haben oft das Thema Lehrermangel im Landesschülerbeirat, auch Unterrichtsausfall, gerade in der Grundschule. Ich würde keine Hürde einbauen, denn wir brauchen mehr Lehrer. Es gibt Schulen, die haben seit mehreren Jahren keinen Schulleiter, weil man einfach keine Leute mehr findet. Aus den richtigen Fortbildungsmethoden, die ja jetzt auch grad umgestellt werden, könnte man sicher aus den meisten Lehrern wirklich gute Lehrer machen.
RAVOLUTION: Okay noch ein Punkt, was ist deiner Meinung nach, wirklich gut am Bildungssystem in Baden-Württemberg?
Joachim Straub: Du kannst immer Abitur machen, du kommst immer durch, wenn du dich wirklich anstrengst. Bevor ich im Landesschülerbeirat war, wusste ich nicht, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Wenn man sich wirklich anstrengt, gibt es keinen Abschluss ohne Anschluss. Da ist der berufliche Sektor wirklich stark.
RAVOLUTION: Danke Joachim Straub für das Gespräch!
Das Interview haben Laurin Langeheine, Sandra Overlack, Jessica Stolzenberger geführt.