„Wir bewerben das nicht. Wir machen das einfach“
Interview Teil III mit Jürgen Mäder von Edeka Südwest zu Soja und Preisgestaltung
RAVOLUTION: An Fleischtheken von Edeka gibt es sowohl tierische Produkte als auch direkt daneben vegetarische und vegane. Ihre Frau ist Veganerin. Stört sie das nicht? Wir finden das unappetitlich.
Jürgen Mäder: Habt ihr das besonders an der Fleischtheke beobachtet?
RAVOLUTION: Nicht nur. Sowohl an der Fleischtheke als auch an der Frischetheke mit abgepackten Produkten, wo beispielsweise Tofu neben Putensandwiches und Hähnchencurry steht. Könnte man das nicht durch reine Veggie-Theken lösen?
Jürgen Mäder: Das ist ein spannendes Thema. Ich habe mit dieser Methode immer versucht, den Flexitarier ein Stück weit abzuholen und eben die Personen anzusprechen, die sagen „heute so, morgen so.“ Beides hat seine Berechtigung. Für beides existiert ein Markt. Als ich noch Fleischwerk- Geschäftsführer war, hat es Mut gebraucht, die Entscheidung zu treffen, vegetarische und vegane Produkte an der Fleischtheke anzubieten. Vom Einkaufsprozess des Kunden wird der überzeugte Vegetarier nicht an die Fleischtheke gehen, um dort einzukaufen. Andererseits gibt es Kunden, die gerne auch alles Fleischlose an der Bedientheke kaufen. Wir glauben, dass eine reine Bio-Ecke oder eine reine Veggie-Ecke nicht funktionieren würde. Man muss den Kunden beim Kauf ansprechen. Wenn man alles in Blöcke einteilt, spricht man immer nur eine jeweils eher kleinere Kundengruppe an. Natürlich zum jetzigen Stand, Sommer 2019. In zwei bis drei Jahren reden wir da vielleicht anders darüber.
RAVOLUTION: Sie haben gerade angesprochen, dass Sie am liebsten alles an der Frischetheke oder Bedientheke kaufen, wo die Produkte nicht einzeln verpackt sind. Im Edeka in der Schlossgalerie Rastatt ist es aber zum Beispiel so, dass die meisten vegetarischen und veganen Produkte doch in Plastik verpackt sind. Könnte man das nicht ändern und mehr über Bedientheken regeln?
Jürgen Mäder: Den ersten Schritt haben wir 2015 gemacht, vielleicht waren wir damals auch der Zeit ein wenig voraus, aber die Diskussion mit dem Thema „Fleischlos als lose Ware“ wird gerade wieder geführt.
RAVOLUTION: Warum kann man nicht zeitgleich sowohl regionale Produkte fördern und aber auch Tofu?
Jürgen Mäder:Wir machen schon beides. Ich habe einen Freund in Freiburg, die vertreiben regional hergestellten Tofu. Michaela Meyer ist als unsere Mitarbeiterin Mitglied beim Verband Donau Soja in Wien, die setzen sich für die Förderung von Tofu in Europa ein. Bis hin zu heimischem Anbau.
RAVOLUTION: Ja, das meinen wir, dass man sowas eben bewirbt.
Jürgen Mäder: Auch hier entwickeln wir uns ständig weiter und erhöhen die Sichtbarkeit Schritt für Schritt. Manchmal ist es aber auch angebracht zu sagen, wir bewerben das nicht, wir machen das einfach. Und ich glaube auch, dass der Kunde das wahrnimmt und schätzt. Unsere Prospekte müssen so eine Wirkung haben, dass der Kunde Lust auf unsere Produkte bekommt, und er soll das Gefühl haben, dass wir uns kümmern.
RAVOLUTION: Das Kundenmagazin von Edeka hatte früher mehr Verbraucherthemen. Heute stehen die Produkte und Sonderangebote im Mittelpunkt.
Jürgen Mäder: Das war eines der ersten Themen, mit denen ich als Geschäftsführer zu tun hatte. Wir möchten jeden Kunden ansprechen, auch den Preissensiblen, deshalb ist es wichtig auch einen Fokus auf den Preis zu legen. Aus diesem Grund haben wir, seit etwa einem Jahr etwas verändert. Auf der Titelseite waren zuvor breit lächelnde Menschen mit strahlend weißen Zähnen, jetzt sind dort Produkte. Außerdem haben wir in der Mitte Sonderseiten, auf denen wir das Thema Preiswürdigkeit insbesondere spielen.
RAVOLUTION: Ein Zusammenspiel aus Ökonomie und Ökologie wäre natürlich gut.
Jürgen Mäder: Das ist ein absoluter „Hammer-Satz“. Ich bin sicher: Es funktioniert! Irgendwann wird der Fokus auf den Preis vielleicht weniger ausgeprägt sein. Immer jedoch ist es wichtig, das Selbstverständnis, dass es bei uns nachhaltige Produkte gibt, die ihren Preis wert sind, zu fördern. Jetzt sind bei uns schon 6 % der in einem Supermarkt verkauften Lebensmittel Bio-Ware.
RAVOLUTION: In welchem Zeitraum hat sich das gesteigert?
Jürgen Mäder:Die Dynamik war ungefähr in den letzten fünf Jahren. Wir werden den Bereich Bio weiter intensiv bearbeiten. Bio ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema und auch meine tiefste Überzeugung. Das Thema Preis spielt aber auch im Bio-Segment eine wichtige Rolle. Und wir entwickeln uns stetig weiter, schaffen z.B. Angebote, die Regionalität und Bio verbinden. Das ist ein echter Mehrwert für den Kunden. Auch das Sortiment an Produkten von Bio-Anbauverbänden wie Bioland und Demeter bauen wir aus.
RAVOLUTION: Was planen Sie noch an Veränderungen für Vegetarier und Veganer?
Jürgen Mäder: Bei einem unserer größten und erfolgreichsten Märkte an der Schweizer Grenze hatten wir eine Veggie-Bar integriert, die allerdings nicht den erhofften Erfolg hatte. Dennoch bleiben wir am Thema dran und entwickeln neue Angebote. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht und sind überzeugt, dass es am besten ist, wenn unsere Mitarbeiter einmal selbst mit den Zutaten gekocht haben. Dies umzusetzen und stetig weiterzuentwickeln, ist ein jahrelanger Prozess.
RAVOLUTION: Wir danken Ihnen sehr für das Gespräch und die Einblicke, die wir gewinnen konnten. Wir wünschen Ihnen und uns, dass das Bewusstsein in Ihren Edeka-Märkten für Natur- und Klimaschutz, für Nachhaltigkeit, Tierwohl und für Produkte ohne tierischen Einsatz steigen wird. Bald, wie wir hoffen.