Wenn Herkunft die Identität prägt
Gemeinsame Wurzeln mit der Präsidentenfamilie Roosevelt
Wer den Begriff “Herkunft” googelt, findet im Duden die Definition „soziale Abstammung“ oder „bestimmter sozialer, nationaler, kultureller Bereich, aus dem jemand herkommt“. Was bedeutet allerdings Herkunft für den einzelnen Menschen? Und wie weit ist der Begriff gefasst? Ich persönlich empfinde drei Herkunftsländer: Ich wurde in Deutschland geboren. Meine Mutter kommt aus den Niederlanden, in denen ich als Kind zum Teil aufgewachsen bin. Und mein Vater stammt aus Libyen. Meine Herkunft könnte nicht unterschiedlicher sein: Deutschland, Holland, Libyen.
Die Kultur und Traditionen eines Landes kennen zu lernen ist sehr spannend, wobei einem das als Kind nicht bewusst ist und die Verbindung dazu sozusagen automatisch passiert. Man fängt an, die Sprache des Landes zu lernen und sich Angewohnheiten der Menschen anzueignen. Sukzessiv wird die Abstammung zur Heimat. Es ist tatsächlich schade, dass ich zur Libyschen Kultur keinen Draht habe. Da dort immer wieder Bürgerkriege und Unruhen ausbrechen, habe ich keinen Kontakt zu meinen Verwandten. Natürlich wäre es sehr praktisch, wenn ich Arabisch durch meine Libysche Abstammung bereits sprechen könnte. Auch wegen der aktuellen Flüchtlingskrise. Ich könnte vielen durch die gemeinsame Sprache helfen, sie auch besser verstehen.
Gerade wenn es um das Verstehen geht, merke ich an mir selbst, dass ich nicht in die berühmt-berüchtigte Schublade passe. Bin ich nun typisch deutsch? Typisch holländisch? Also typisch europäisch? Oder eben typisch libysch und somit typisch arabisch? Und was ist schon typisch? In den Augen anderer oder von einem selbst? Was sagt man arabischen Frauen in Deutschland nach? Sie seien nicht selbstständig, sprechen kaum Deutsch und stehen unter dem Pantoffel ihres Mannes? Alle drei Punkte haben nichts mit mir zu tun!
Leider zeigt sich, das die eigene Herkunft nicht immer etwas Positives hat. So wurden und werden viele Menschen wegen ihrer Ethnischen Herkunft verfolgt, denken wir nur an die Juden. Die Diskriminierung fängt im Alltag an: beispielsweise bei der Arbeitssuche oder im sozialen gesellschaftlichen Bereich. Menschen werden immer wieder wegen ihres Aussehens und ihrer Sprache benachteiligt. So muss sich jeder selbst fragen, wie viele Vorurteile wir in uns tragen, die zum Vorschein kommen. Bezogen auf das Äußere, auf die Religion oder eine kulturelle Eigenart. In Folge dessen beurteilen wir Menschen und stecken sie in Schubladen voller Vorurteile. Ist es nicht unverschämt, dass wir Menschen nach ihrer Herkunft beurteilen? Meine Antwort: Ja, klar! Geben wir Menschen die Chance, ihre Herkunft zu erforschen und herauszufinden, wie viel Herkunft sie in sich tragen. Wie unsere Herkunft uns prägt. Jeden einzelnen Menschen. Das macht uns aus.
Die Beziehung zur eigenen Herkunft ist etwas sehr Intimes. Weil Herkunft auch Heimat ist – meistens als ein Ort der Geborgenheit und Fürsorge. Es kann aber auch etwas Furchtbares und Hässliches sein, wenn im Vaterland verfolgt und gemordet wird. Für mich sind Deutschland und die Niederlande zugleich Herkunft und Heimat. Dort habe ich meine Kindheit verbracht, dort lebt meine Familie. Mit meiner Herkunft verbinde ich haufenweise Erinnerungen. Das ist meine soziale Abstammung, die im Stammbaum im „Roosevelt study centre“ vermerkt ist. Das vermittelt mir ein Gefühl von Zugehörigkeit und steht auch für die Beziehung zu meinen Vorfahren und meinem Ursprung. Und wie ist das mit Libyen? Ich erforsche es. Ein spannender Prozess. Immer mit der Hoffnung verbunden: Wenn Herkunft zu Heimat wird und die eigene Identität prägt.
Mein Nachname ist „Hassouna“, meine Mutter heißt „van Rosevelt“. Im Sommer war ich mit meinen Großeltern meine Herkunft erkunden. Wir fanden im “Roosevelt Study Center” heraus, dass im Stammbaum unserer Familie, Eleanor Roosevelt, Franklin Delano und Theodore Roosevelt aufgezeigt sind. Im Study Center waren sie sehr begeistert davon, dass wir als Familienangehörige das Stammbuch einsehen. Wir wurden sogar fotografiert und das Foto (das wir hier zeigen) wurde auf Instagram des Centers veröffentlicht.
Meine soziale Abstammung vermittelt mir ein Gefühl von Zugehörigkeit und steht für die Beziehung zu meinen Vorfahren und meinem Ursprung. Das ist meine Herkunft.
Foto: Zazou mit ihren Großeltern im “Roosevelt Study Center”, fotografiert von der dortigen Mitarbeiterin Leontien Joosse.