Wahres Wissen erfordert eigene Leistung
Antworten auf die Frage, was Wissen ist
Als Abiturientin verbringe ich die Hälfte meiner Zeit damit, zu überlegen, was ich mit meinem erlangten Wissen anfangen kann. Bis hier hin, ohne darüber nachzudenken, was Wissen überhaupt ist. Bedeutet Bildung auch Wissen? Oder hatte schon Sokrates vor ungefähr 2500 Jahren es auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“? Antworten auf die Frage, was Wissen überhaupt ist, fand ich in Aristoteles Schriften.
Was ist die Grundlage von Aristoteles Philosophie über das Wissen? Es ist die Annahme, dass das Wissen über etwas nur durch die Kenntnis über dessen Ursache erlangt wird. Schließlich wissen wir nur, wer wir sind, wenn wir wissen, woher wir kommen. Unser Ursprung definiert uns sowie auch jede Ursache der Dinge die Dinge selbst. Diese Ursache, das jenem Wissen vorausgesetzt ist, sei eine Art Regel eines Sachverhaltes. Bleiben wir beim Beispiel des Menschen.
Jedes Kind hat eine genetische Mutter und einen genetischen Vater, das ist eine Regel und die Ursache, die immer gilt. Wir ziehen die jeweilige Regel zum neuerlangtem Wissen aus schon vorhandenem Wissen. Bemerken wir, dass andere Kinder einen Vater und eine Mutter haben, erkennen wir diese Regel an und schließen daraus, dass jene Regel auch für uns gelten muss. Es werden also Parallelen gezogen zwischen schon vorhandenem Wissen, das den Sachverhalt darstellt, und dem Wissen, welches erlangt werden will. Die Ursache ist somit kein einmaliger materieller Umstand, der vorkommt und einen Effekt zeigt, sondern eine Regel, die die Existenz von anderen Dingen erklärt.
Diese erste Bedingung zu begründetem Wissen nennt Aristoteles die Ursächlichkeit. Aus ihr folgt eine weitere Bedingung. Wir können schließlich nur von wahrem Wissen sprechen, wenn dessen Ursächlichkeit ebenfalls wahr ist. Denn würde uns jedes Kind erzählen, es sei mit dem Storch gebracht worden, wäre es auf jeden Fall falsch anzunehmen, wir seien ein Geschenk der Störche. Das bedeutet, es müssen Bedingungen für die Ursache aufgestellt werden, die deren Wahrheit beweisen.
Diese Bedingungen sind Rahmenbedingungen und Prinzipien, in dessen Geltungsbereich das Wissen liegen muss. Man kann es sich bildlich als einen großen Kasten vorstellen, welcher unser Weltbild und unsere Erkenntnisse darstellt. In ihm liegt unser gesamtes Wissen. Es ergibt sich ein „von Ursachen aus Prinzipien abgeleitetes Wissen“. Jenes Verfahren, das Festlegen der Rahmenbedingungen und das Ergründen der Ursachen der Dinge, bezeichnet Aristoteles als Beweis von Wissen. Weitergehend beschäftigt sich Aristoteles damit, was diese Rahmenbedingungen sind, und wie wir sie erlangen. Da wir allerdings im 21. Jahrhundert leben und nicht mehr 350 v. Chr., stelle ich eine eigene These zur Bestimmung der Rahmenbedingungen auf. Meiner Meinung nach, ändern sich die Prinzipien mit der Zeit, ansonsten besäßen wir noch das gleiche Wissen, wie das zu Zeiten Aristoteles. Die Grundbausteine unserer Zeit sind die Naturwissenschaften. Aus ihnen abgeleitet, erstellen wir Sachverhalte und eignen uns Wissen an.
Aristoteles erfasst einen wichtigen Punkt unserer heutigen Gesellschaft. Jeder, der hinterfragt und nach der Ursache sucht, hat bereits Wissen. Wir behaupten stets, Wissen sei Macht, glauben aber jeder Schlagzeile aus dem Internet. Erinnern wir uns daher endlich wieder daran, was wahres Wissen ist. Wahres Wissen erfordert eigene Leistung und die Frage nach den Ursachen. Haben wir Mut, uns unseren eigenen Verstandes zu bedienen. Ganz nach Immanuel Kant in unserer heutigen Zeit.
(Ich habe dazu „Aristoteles“ von Thomas Buchheim gelesen, Herder Spektrum: Meisterdenker Band 4764)