Viele neue Arten, Videos zu drehen
Einblick in YouTube: Wer? Wie? Was?
YouTube wird 2005 von ehemaligen PayPal-Mitarbeitern als US-amerikanisches Videoportal gegründet. Inzwischen werden in jeder einzelnen Minute 100 Stunden Videomaterial hochgeladen und YouTube ist – nach Google – die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Der geschätzte Jahresumsatz von YouTube als Tochterfirma von Google beträgt im Jahr 2015 sechs Milliarden Euro nach Firmenangaben.
Am Anfang hatte YouTube keinen kommerziellen Charakter. Für die Nutzer war YouTube lediglich als Video-Plattform gedacht, auf die jeder Videos hochladen konnte, um sie mit anderen zu teilen. Doch als 2007 das YouTube-Partnerprogramm eingeführt wurde, war es zum ersten Mal möglich, als User auch Geld zu verdienen. Über das YouTube-Partnerprogramm können erstmals auf ausgewählten Kanälen Werbung vor die Videos geschaltet und Geld eingenommen werden. Bedingungen dafür sind zum Beispiel das regelmäßige Hochladen von eigenen Videos, bei denen man die Urheberrechte besitzt. Zudem müssen die Videos eine gewisse Anzahl an Views aufweisen, also von zahlreichen Menschen gesehen werden. Oder der Kanal muss eine bestimmte Anzahl an Abonnenten haben.
Das Geld, das durch die Werbung eingenommen wird, ist vertraglich über einen bestimmten Schlüssel unter dem Produzenten und YouTube aufgeteilt. So erschließen sich neue Job-Möglichkeiten. Inzwischen ist „YouTuber“ eine Berufsbezeichnung, wenn sie auch nicht über eine anerkannte Ausbildung geschützt ist. Berühmte deutsche YouTuber sind zum Beispiel Florian Mundt alias LeFloid, Lets Player wie Gronkh oder das Comedy Trio ApeCrime.
Um den YouTubern oder Videokünstlern, wie die offizielle Bezeichnung lautet, auch noch andere Möglichkeiten als nur das offizielle YouTube-Partnerprogramm zu bieten, bilden sich so genannte Multichannel-Netzwerke. Diese Netzwerke haben es sich zum Ziel gesetzt, als Vermittler zwischen YouTube und Kanalbetreiber zu fungieren und ein möglichst großes Netzwerk aus den unterschiedlichsten Kanälen zu bilden. Zudem stehen sie als Beratung bei der Videoproduktion und der Vermarktung des Produktes zur Verfügung. Außerdem geben sie das Versprechen, sich um die digitale Rechte-Verwaltung, also den Urheberschutz, zu kümmern.
Multichannel-Netzwerke (kurz: MCN) machen dies natürlich nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern sind ein gewinn-orientiertes Unternehmen, das einen Teil der Werbe-Einnahmen des Kanals fordert. Eines der größten MCN’s ist Mediakraft Networks, ein deutsches Unternehmen, das seinen Sitz in Köln hat und das größte YouTube-Netzwerk in Deutschland besitzt. Nach eigenen Angaben gehören zu Mediakraft über 2600 Kanäle mit einer Reichweite von mehr als 16 Millionen Zuschauern. Zu Mediakraft Networks gehören unter anderem die Kanäle Freshtorge und Bullshit TV, aber auch iBlali. Ehemals zu Mediakraft gehörten LeFloid, ApeCrime und Simon Unge. Diese hatten sich aufgrund eigener Angaben nach unfairer Behandlung und Drohungen von Mediakraft distanziert. Dazu kam der Vorwurf, das Netzwerk entspreche nicht mehr den ursprünglichen Leitgedanken eines YouTube-Netzwerkes. Sie werfen Mediakraft vor, das MCN verfehle seine Funktion als „Talententdecker“ und Förderer junger motivierter YouTuber. Stattdessen sei das MCN nur noch gewinn-orientiert und daran interessiert, die „großen“ YouTuber noch größer zu machen, während „kleine“ YouTuber mit großem Potenzial unbeachtet blieben.
In Reaktion dazu gründet LeFloid mit anderen Berliner YouTubern den Verein „301+“. Back to the roots: Jeder soll nach dem ursprünglichen Motto von YouTube „broadcast yourself“ (dt: übertrage/verbreite dich selbst) YouTube machen und andere unterstützen. Inzwischen ist LeFloid genauso wie viele seiner Freunde, zum Beispiel SpaceFrogs, zu „Studio 71“ gewechselt. „Studio 71“ ist im Unterschied zu Mediakraft ein internationales MCN der ProSiebenSat.1 Media SE, eines der größten unabhängigen Medienhäuser in Europa. „Studio 71“ produziert dementsprechend auch fürs Fernsehen und Live-Streams auf der eigenen Plattform MyVideo. Neben LeFloid sind auch andere erfolgreiche YouTuber wie Gronkh und Sarazar bei Studio 71.
Mittlerweile wird immer mehr Kritik an YouTube selbst und an den MCN’s laut. Weil YouTube so erfolgreich geworden ist, wurde der Kontent auf der Plattform kommerzieller und gewinn-orientierter. Ergo muss alles mehr Aufmerksamkeit erregen und skandalös wirken, um so viele Views wie möglich zu erreichen. Kreative und mit viel Hingabe gedrehte Videos scheinen eher zweitrangig zu werden, was ein Verlust für die gesamte Internet-Community bedeutet.
Doch andererseits entstehen durch den Disput von YouTubern unter sich und dem Verlangen der Community, etwas komplett anderes zu produzieren, sich von der Masse abzuheben, viele neue Formate, was auch etwas Gutes sein kann. In den letzten Jahren haben sich viele neue Arten, Videos zu drehen, etabliert, von denen ich hier einige erkläre.
Auflistung verschiedener YouTube-Facts:
- Let’s Plays: Der YouTuber filmt sich selbst, wie er spielt und es für Zuschauer kommentiert. Beispiel dafür ist Gronkh, dessen MineCraft Let’s Play auf eine Gesamtlänge von 14 Tagen, 21 Stunden und 23 Minuten kommt
- Tutorial: Gibt es in allen Themenfeldern mit unzählig vielen Unterkategorien. Doch im Grunde ist es ein Video, in dem der YouTuber dem Zuschauer zeigt, wie eine bestimmte Sache funktioniert. Zum Beispiel Dagi Bee im Themenbereich Schminken und Beauty
- Hauls: Meist weibliche YouTuberinnen stellen ihre neuesten Erungenschaften vor. Hauls sind immer voller Produktplazierungen. Beispiel dafür ist erneut Dagi Bee
- Reaktionsvideo: Der oder die YouTuber setzen sich einem Video oder einem anderen Reiz aus und filmen sich währenddessen
- Roomtour: Der YouTuber macht eine Tour durch seinen Room bzw. seinen Wohnort
- Machinima: Ein Videospiel wird dazu benutzt, um die eigene erfundene Geschichte mithilfe der Charaktere nachzuspielen. Häufig werden die Figuren synchronisiert. Ein Beispiel für ein Machinima ist der gleichnamige Kanal „Machinima“ oder RedvsBlue
- Prank: Zu deutsch ein Streich. Meist ein vulgärer Streich, der gefilmt wird. Ist oft ein Neben-Genre für YouTuber, die durch andere Formate bekannt geworden sind.
- AMV: Abkürzung für Anime Music Video. Ein eigenes Musik-Video wird zu einem bestimmten Lied aus Szenen eines Animes zusammengeschnitten.
- Draw My Life: auf deutsch „Zeichne mein Leben“. Ein YouTuber zeichnet oft auf einem Whiteboard Comics oder Bilder zu seinem Leben. Dieses Video wird oft als Zeitraffer produziert und vom YouTuber selbst kommentiert. Ein wunderbares Beispiel dafür ist der YouTuber manniac, ein Comic-Künstler, der über seine schwierige Jugend und sein Coming-Out erzählt.
- Unboxing Videos: Der YouTuber packt Pakete seiner Fans aus oder ein neues technisches Gerät und filmt sich dabei.
- Listen: Arten von …-Listen. Beispiel dafür: SpaceRadio
- Wissenschaftliche Videos: YouTuber reden über ein bestimmtes Thema und liefern wissenschaftliche Fakten. Beispiel dafür sind diverse Ableger von Wissenschaftssendungen im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen.
- Katzen- und Tier-Videos: Dafür wurde YouTube eigentlich erfunden! Findet den wahren Sinn hinter Videoportalen im Netz wieder: Ladet mehr Katzenvideos hoch!
Diese Aufzählung könnte ewig weitergeführt werden. Vielleicht fallen euch als Leser bzw. User weitere Kategorien ein, die hier nicht aufgeführt sind. Diese Liste soll nur ein kleiner Einblick in die Vielfältigkeit der Netzkultur und damit auch in die Vielfältigkeit der Kreativität von YouTubern sein. Ob die einzelnen Kategorien und Videos sehenswert sind oder nicht, mag jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke, die Videokultur wird sich mithilfe neuer technischer Errungenschaften immer weiter entwickeln. Und letzten Endes geht es bei YouTube doch darum, dass jeder Mensch, egal welcher Altersgruppe oder welchen Geschlechts, dort etwas leicht hochlädt oder leicht etwas findet, was sein Leben bereichert und Freude bringt.
Foto: Jens Lingenau