“Überwindet Faulheit und Unlust! Fordert euren Geist!”
Unser Schwerpunkt-Thema der 5. Online-Ausgabe von RAVOLUTION: Bildung
Vor Kurzem erwähnte ich gegenüber Jugendlichen “die neuen Bundesländer”. Als sie mich erstaunt anschauten, wurde mir klar: 29 Jahre nach dem Fall der Mauer kennen Teenager nur ein vereintes Deutschland. Von wegen NEUE Bundesländer. So ist das mit dem Wissen: manches veraltet, manches bekommt neue Perspektiven und manches wird unwichtig. Erst die Deutung und Einordnung macht aus Wissen Bildung. Unsere 5. Online Ausgabe von RAVOLUTION fragt sich: Was ist denn Bildung? Und reicht es nicht, richtig googeln zu können?
“Bildung soll die Persönlichkeit entwickeln und ein erfülltes Leben ermöglichen … Bildung soll Frieden und Demokratie sichern und unser kulturelles Wissen über Generationen weitergeben.” So die Definition der “Bundeszentrale für politische Bildung”. Für die politische Bildung? Das heißt, es gibt viele verschiedene Formen der Bildung. Wohl auch die Einbildung. Der Duden schreibt unter Bildung “das Gebildetsein, das Ausgebildetsein, erworbenes Allgemeinwissen”. Und was sagen die RAVOLUTIONÄRE zum Thema Bildung? Rastatter Schülerinnen und Schüler haben darüber diskutiert und berichten in dieser Online-Ausgabe darüber. 15- bis 20-jährige mit dem Blickwinkel von gebildeten jungen Menschen.
Zunächst die Theorie. Vivien beschäftigt sich mit Sokrates und Aristoteles. Harte Kost. Aber sie liebt das Eintauchen in Literatur und ihren Diskurs mit Philosophen. Ihr Resumee: “Wahres Wissen erfordert eigene Leistung”. Kein Wunder, dass sie Heidi Klums Suche nach schönen Frauen in dieser Form nichts abgewinnen kann. Die Schülerin vom Ludwig-Wilhelm-Gymnasium Rastatt wandelt Klums Spruch ab: “Ich habe heute leider kein Buch für dich”. Die 18-jährige ruft ihre Altersgenossen auf: “Greift zum Buch! Überwindet Faulheit und Unlust! Fordert euren Geist”!
Apropos gebildet sein und reine Theorie. Junge Menschen verblüffen mich immer wieder. Zum Beispiel Zazou: Mit 15 schreibt sie über Polyamorie, über Rassismus und über “Vernunft als Basis von allem”. Sie verzeiht mir hoffentlich, wenn ich sie als Wunderkind bezeichne. Aus dem Stehgreif und aus dem Diskussionszusammenhang spricht sie über Sartre oder Eudaimonie. Wie? Was? Wenn Sie nicht wissen, was das ist (ich wusste es auch nicht), können Sie es in ihrem Beitrag lesen.
Viele Artikel von RAVOLUTION sind aus unseren Redaktionssitzungen und Diskussionen entstanden. Ich staune immer wieder, was unsere Jungredakteure alles wissen, aber auch in welche Themen sie sich reinarbeiten. Mit welcher Lust, sie sich austauschen und wie reif sie in ihren Ansichten, aber vor allem in ihren Stilmitteln sind: Rhetorik, die Kunst der Fragen und die leidenschaftliche, aber stets faire Form der Auseinandersetzung. Selbst wenn unsere Waldorfschüler Ian-Titus und Laurin unseren Spott abbekommen (“Tanzt uns das Thema vor”) oder unsere Jung-Liberale Vivien mit dem Lästern über Lindner klar kommen muss. Höchste Hochachtung vor ihrer Geduld und Nachsicht, aber auch für das Einstehen ihrer Überzeugungen.
Die Basis dafür sind ihre Neugierde, ihre Lust am Zuhören und das gründliche Recherchieren. Ihr gutes Auftreten zeugt von Bildung ihres Geistes und ihres Herzens. Die RAVOLUTIONÄRE machen es sich (und mir) nicht immer einfach. Sie verurteilen nicht pauschal ihre Lehrer oder die vorgegebenen Bildungspläne (wie so oft die eigene schlechte Schulnote damit entschuldigt wird). Sie sehen das Schulsystem, das Hin und Her bei G8 oder G9, marode Gebäude und veraltete oder nicht vorhandene Technik durchaus kritisch, aber sie fragen auch: Warum ist das so? Themen rund um Bildung gibt es viele. 1000 angedachte Artikel können aus Zeitgründen nicht geschrieben werden. Denn die meisten aus unserer Jugendredaktion stecken in den Vorbereitungen für ihr Abitur.
Das ist dann bereits die 2. Generation unserer RAVOLUTIONÄRE. Zwei “Alt”-Redakteurinnen der 1. Stunde melden sich auch dieses Mal zu Wort – an ihren neuen Wirkungsstätten: Lea mit einem Interview aus Indien (“Haben wir eine desolate Schuldbildung!”), und Florie mit ihren ersten Eindrücken von ihrem Jura-Studium in Heidelberg. Auch hier meine Hochachtung: Beide haben ihr Abitur mit 1,0 bestanden! Trotz (oder wegen) ihres außerschulischen Engagements. Bei uns für RAVOLUTION oder zum Beispiel auch in der Begleitung von Flüchtlingskindern. Zu der schulisch geförderten Allgemeinbildung kommt die Bildung des Herzens.
Wir haben so viele lesenswerte Artikel in RAVOLUTION. Von Sandra, deren Hauptartikel dieses Mal bei unserem Medienpartner, den Badischen Neuesten Nachrichten, veröffentlicht wird. Von Paula zu “Abitur light”, von Jess über die Landesschülerkonferenz, von Laurin mit seiner Kritik an der Leistungsgesellschaft oder von Ian-Titus zu der verschrobenen Bildung von Verschwörungstheoretikern.
Unsere RAVOLUTIONÄRE sind kritisch, sie hinterfragen. Wir hätten noch so viel sagen und schreiben können. Zu Google, Fake-News oder wie Trump leider zeigt, dass man auch ohne Bildung weit kommen kann. Von der Ungerechtigkeit von Noten, von Bewertungskriterien für Lehrer oder “Was Bildung mit Geld zu tun hat”, wie das Magazin ZEIT SCHULE in diesem Monat beleuchtet. Einen Satz des amerikanischen Linguisten Steven Pinker, der am 15. Februar in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG interviewt wurde, zitiere ich hier hoffnungsvoll: “Je gebildeter die Menschen sind, desto zugänglicher sind sie den Werten der Aufklärung. Und die Demografie wird helfen. Jüngere Menschen sind nicht so anfällig für Populismus. Schauen Sie sich England an, wo die Millennials ziemlich zornig sind wegen des Brexit.” Und schauen Sie sich an, was unsere RAVOLUTIONÄRE schreiben!