Schwierige Fragen zur Identität
Interview mit den Pusmaz-Brüdern zur deutschen Staatsbürgerschaft …
Was schätzen Sie an Deutschland?
Fatih Pusmaz: Ich schätze an Baden, dass es so schön ist. Deutschland an sich interessiert mich kaum. Nur diese Region gefällt mir sehr. Ich weiß nicht warum, aber ich bin sehr „Rastatt-anhänglich“. Ich könnte es mir nicht vorstellen, in Berlin zu leben.
Sefa Pusmaz: Ich schätze an Deutschland das System. Wir fühlen uns einfach in der Türkei nicht wohl. Das fängt in Deutschland mit genormten Bordsteinhöhen an und geht bis hin zum Telefonanschluss. Einfach von der Funktionalität, von der Ästhetik.
Auch bei der Sicherheit?
Sefa Pusmaz: Da habe ich keinen Vergleich mit der Türkei. Ich vertraue der Rechtssicherheit in der Türkei auch, würde ich sagen. Aber ich kann das nur schwer beurteilen.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann in der Türkei zu leben?
Sefa Pusmaz: Ja, könnte ich mir vorstellen.
Fatih Pusmaz: Ich nicht.
Sefa Pusmaz (grübelt): Ich weiß es noch nicht. Manchmal rege ich mich auf, weil ich sehe, dass so viel auf die Türkei und die Muslime eingedroschen wird, dass ich sag, ich hab keinen Bock mehr. Dann sagen wir uns ab und zu: Sollen wir in die Türkei gehen? Dann sind wir drei Wochen in der Türkei und es fehlt einem der Lebensstandard. Wie eben die genormten Bordsteine.
Was würden Sie tun, wenn sich CDU/CSU durchsetzen und die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen?
Fatih Pusmaz: Dann nehme ich die deutsche.
Sefa Pusmaz: Dann nehme ich auch die deutsche.
Identifizieren Sie sich in erster Linie als Deutsche?
Sefa Pusmaz: Das mit der Identität ist wirklich eine schwierige Frage. Ich versuche mich meistens als deutscher Muslim zu bezeichnen. Ob jetzt Badener oder Schwabe, Deutscher oder Türke, es ist immer ein Hin und Her. Ich persönlich komme sehr gut damit klar, mich anzupassen, denke ich. Ich sehe meine Zukunft in Deutschland. Meine Motivation ist es, mich für die Muslime in Deutschland einzusetzen. Ich sage bewusst nicht Türken, sondern betone Muslime. Und für sie einsetzen, kann ich mich nun einmal am besten mit der deutschen Staatsbürgerschaft. Und weil ich meine Zukunft hier auch sehe. Weil ich mich beteiligen und politisch engagieren kann. Bis vor zwei Jahren war ich nämlich kein Deutscher. Ich habe dieses Jahr zum zweiten Mal gewählt. Eine Zeit lang hatte ich überhaupt kein Wahlrecht. Für mich ist das ein Reichtum, beide Staatsbürgerschaften zu besitzen.
So wie Sie das jetzt formuliert haben, würde ich darauf schließen, dass Sie sich in erster Linie als Muslim sehen, und dann erst als Deutscher.
Sefa Pusmaz: Genau, der Glaube ist für mich wichtig. Denn jeder Mensch ist gleich im Islam. Kein Mensch ist aufgrund seiner Herkunft einem anderen überlegen. Aus dieser Überzeugung geht hervor, dass ich mich als Muslim und als Deutscher sehe. Das ist meine persönliche Ansicht.
Sie haben erwähnt, dass Sie sich auch zusammen mit Jugendlichen in Ihrer Gemeinde mit dieser Frage auseinander setzen.
Sefa Pusmaz: Leider noch nicht so viel. Bei Aktionen, bei denen wir unsere Gemeinde der Öffentlichkeit näher bringen, versuchen wir den Leuten ein Gefühl dafür zu geben. Was bedeutet es überhaupt, als Muslim aufzutreten? Wie denkt mein Gegenüber über mich? Es ist immer schwierig, den Leuten die Motivation zu geben. Viele scheuen sich auch davor. Ich sage den Leuten immer: Zuerst müsst ihr euch bilden. Sowohl in der Schule, also weltlich, als auch vom Glauben her. Es ist aber immer noch ein Prozess, der sich wandeln muss. Das braucht einfach Zeit. Aber er beschleunigt sich, weil viel mit der Bildung hinzukommt. Manche sagen zwar: „Ich bin nur Türke!“ Aber irgendwann wird es bei denen auch Klick machen. Spätestens, wenn sie Kinder bekommen und diese dann auf die Frage stoßen.
Sehen Sie das auch so bei Menschen ohne höheren Bildungsabschluss?
Sefa Pusmaz: Das Problem ist eher, dass die Leute auch keine Lehre machen. Denn wenn sie eine Lehre machen, sind sie erstmal Lehrling. Da kommen sie mit anderen in Kontakt. In der Schule kann man sich vielleicht noch abschotten. Aber wenn man erst einmal in einem Betrieb ist, dann muss man mit den Leuten reden. Wenn man hingegen als Leiharbeiter irgendwo arbeitet, kann man sich auch abschotten. Da muss die Politik natürlich mitziehen und Akzeptanz zeigen.