Notstand. Not Stand. Nicht stehen bleiben.
Warum wir für die Petition kämpfen und warum wir den Begriff Klimanotstand richtig finden
Mit dem Begriff “Klimanotstand” bezeugen Städte und Länder, den Ernst der Lage erkannt zu haben und sich auf allen Ebenen für die Umsetzung der Pariser Klimaschutz-Ziele einzusetzen. Es reicht nicht, zu sagen, dass das Klima ein globales Thema ist. Wir müssen vor Ort ansetzen und nicht auf die große Lösung von Politik (in fernen Ländern) und Wirtschaft (in fernen Zentralen) warten. Denn das würde bedeuten: Wir geben unsere Verantwortung in andere Hände und sehen nur zu.
Wir müssen lokal handeln. Alle miteinander: Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister und Gemeinderäten, Schulen und Kitas, Unternehmen, Einzelhandel, Vereine, BürgerInnen, HäuslebauerInnen, PendlerInnen und BesucherInnen… ALLE.
Warum überhaupt in einer Gemeinde? Wir bekommen Rahmenbedingungen durch Brüssel und Berlin. Aber wir können auch vor Ort vieles entscheiden und bestimmen. Selbst den Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Unser Leben findet hier statt. Hier muss auch das Umdenken beginnen. Wer könnte besser für Veränderungen sorgen als BürgerInnen? Wir sind sicher: Demokratie wagen heißt Klimaschutz wagen. Die Verantwortung in die Hände jedes Einzelnen/jeder Einzelnen geben! Das muss die Basis für unsere Zukunft sein.
Klimanotstand – das haben bereits über 40 deutsche Städte beschlossen (Stand August 2019).
In unserer Region im Badischen zählen dazu Bühl und Karlsruhe. Die Initiative zu dem Beschluss geht oft von TeilnehmerInnen der Fridays-for-Future-Demos aus, aber auch von Parteien, Verwaltungen und Unternehmen. Greta Thunberg hat viel bewegt.
Vieles muss auf den Prüfstand. Kann nicht Ökonomie im Gleichklang mit Ökologie sein? Oder muss die Priorität nicht sogar der Klimaschutz haben?, wie Wissenschaftler von “Scientists for Future” fordern. Bislang wurde bei öffentlichen, europaweiten Ausschreibungen vor allem auf den Preis geachtet. Bestes Beispiel haben wir in Rastatt: Für die beiden Rastatter Gemeinschaftsschulen Gustav-Heinemann- und Karlschule musste die Belieferung des Mittagessens europaweit ausgeschrieben werden. Den Zuschlag erhielt die Firma Apetito, einer der Marktführer Europas im Beliefern von Kitas, Schulen oder Altenheimen.
Auf unsere Anfrage teilt Apetito mit: “Im westfälischen Rheine werden aus diesen Zutaten tiefkühlfrische Menüs, die bis zu einem bestimmten Garpunkt gekocht und portioniert werden. Über 27 Service Center deutschlandweit bringen unsere Fahrer gemäß einer optimierten Tourenplanung die Menüs in die Schulen, wo sie schließlich zu Ende gegart werden.” Die Essen kommen somit aus dem von Rastatt rund 500 Kilometer entfernten Rheine. Aufgewärmt wird es in Spezialöfen in den Schulen. Nicht-vor-Ort-kochen bedeutet erhöhten CO2-Ausstoß, viel Verpackungsmüll und hinterlässt Fragen zur Qualität. Das Wirtschaftsmagazin “brand eins” schrieb Ende 2010 in einem Artikel über Apetito (“Eiskalte Geschäfte”), warum Städte nicht auf eigene Küchen und Köche setzen: “Das Killerargument für notorisch klamme Träger: Man braucht keine Köche.”
Auch deshalb plädieren wir für den Klimanotstand! Jede/r, der/die sagt, dass man ja schon viel für das Klima tue, muss an dem Beispiel Rastatter Schulessen begreifen: Wir müssen jede Praxis zumindest überprüfen! OB Pütsch beruft sich auf das EU-Recht, an das er gebunden sei. Wir berufen uns auf den Klimanotstand und rufen Städtetag, Oberbürgermeister und alle Politiker in Berlin und Brüssel auf: Ändert die Gesetze! Jetzt! Nehmt den Klimaschutz als wichtigstes Kriterium in eure Handlungen auf! Preisgründe dürfen nicht stärker bewertet werden als Ökologie. Oder reden Politiker nicht immer von Folgekosten? Dabei müssen wir uns als KonsumentInnen, Väter und Mütter, BürgerInnen und natürlich auch SchülerInnen (immer wieder) die Fragen stellen: Was ist uns wichtig? Was ist uns was wert? Worauf müssen wir in Zukunft verstärkt achten?
Nehmen wir an, was der Anbieter sagt, das Essen ist aus guten Zutaten, das Gefrierverfahren bewahrt die Qualität, das Essen schmeckt und ist für junge Menschen ausgewogen. Aber können wir uns die Transporte und die Verpackung aus Umweltgründen wirklich leisten? Derartige Beschlüsse zum Schulessen sind für BürgerInnen schwer nachvollziehbar.
Unser Aktionsplan ist weitreichender als rein auf Klimaschutz bezogen.
Er beinhaltet Maßnahmen in vielen Bereichen, die BürgerInnen längst stören:
- Achtlos weggeworfener Müll und Vandalismus
- Einweg-Becher etc. und zu viel Verpackungsmüll
- Raser auf den Straßen bzw. zu viel Verkehr
- Behindernde ParkerInnen, auch auf Fahrradwegen
- Große Hitze
- Nicht ausreichender ÖPNV
- Oder eben wie beim Schulessen: Was muss wie weit transportiert werden?
Vieles ist miteinander verbunden. Wir haben zahlreiche Möglichkeiten, unsere Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Wir möchten Zusammenhänge herstellen und für mehr Verständnis werben. Jede/r kann in jedem Alter zum Vorbild für jede/n werden! Unsere ersten Ideen und Vorschläge haben wir Anfang Juli auf dem Jugendgipfel Rastatt präsentiert. Seither sammeln wir online und auf Papier Unterschriften und suchen UnterstützerInnen. Wir reden auch mit “kleinen” Ladeninhabern. Zum Beispiel mit den Betreibern von Eisdielen wegen der Umrüstung von Plastikschälchen auf Waffelbecher für Eis und Plastiklöffeln auf Alternativen. Nur eine unwichtige Kleinigkeit? Wir sagen: Es ist ein Anfang. Ja, fast überall ernten wir Interesse, oft sogar Verständnis und Zustimmung: “Das werden wir ändern.”
Parallel zu unseren Recherchen und Gesprächen haben wir unseren Viele-Punkte-Plan als Basis entwickelt. Für weitere Aktivitäten. Als Ideen und Vorschläge für alle, die in Rastatt leben, arbeiten, zur Schule gehen, hier einkaufen oder sich in der Freizeit treffen, als PendlerInnen, TouristInnen oder Durchreisende… Für Menschen in jedem Alter und in jeder Gesellschaftsschicht. Diesen Viele-Punkte-Plan stellen wir dem Oberbürgermeister und Stadträten vor. Wir brauchen die Unterstützung aus dem Stadtparlament und dem Rathaus. Damit der Antrag zur Abstimmung eingebracht werden kann.
Vereinzelt hören wir Widerspruch zum Begriff Klimanotstand. Warum wir von NOTSTAND sprechen? Wir haben den Begriff nicht erfunden. Die Idee für “climate emergency” stammt von Adrian Whitehead, einem australischen Biologen. Mittlerweile verwenden viele Städte diesen Begriff. Das ist Teil einer weltweiten Bewegung. Weil jeder Mensch vom Klimawandel betroffen ist. Doch „Klimawandel“ ist zu harmlos. Es ist eine Klimakatastrophe! Eben ein Notstand, auf den wir JETZT reagieren müssen. Alle bisherigen Programme und Maßnahmen reichen nicht aus. Für uns ist der Begriff Notstand genau die Beschreibung unseres Ist-Standes! Die Berichte von Klimaexperten zeigen das deutlich: Wir leben nicht mehr 5 vor 12. Wir müssen auch in unserer Sprache deutlich machen, wie bedrohlich unsere Situation ist. Da reichen keine Appelle mehr, nicht nur Ziele in 20 oder 30 Jahren; keine Gesetze, die lange auf sich warten lassen; keine Konferenzen, auf denen wachsweiche Kompromisse langwierig gefunden werden. KlimaNOTSTAND. Eben: NOT STAND! Nicht stehen beiben.
Fragt uns. Diskutiert mit uns. Aber bitte inhaltlich und nicht nur formal wegen des Begriffes. Wir müssen weiterkommen. Überall. Aber zunächst mal bei uns vor der Haustür.
Hier ist unsere Petition im Netz:
https://www.ravolution.de/rastatt-ruft-den-klimanotstand-aus/