“Männer baggern wie blöde”
Früher gab es kein #MeToo – sind wir noch nicht weiter?
“Männer kaufen Frauen
Männer stehen ständig unter Strom
Männer baggern wie blöde
Männer lügen am Telefon.”
Herbert Grönemyer singt uns vor, wie seine Artgenossen sind. Dabei wissen wir Frauen das doch ganz genau. In jeder Generation haben wir unsere Erfahrungen, Erlebnisse und Geschichten. Von den harten Kerlen mit dem weichen Kern. Von den Softies und Machos, von den Chauvies und Frauenverstehern. Es gibt die ganze Bandbreite. Aber leider auch die Schweinebacken. Wer als Frau an ein übergriffiges Exemplar gerät, das sich insbesondere über sein Geschlechtsteil definiert, sollte das Weite suchen.
“Du bist prüde.” Das war die Einschätzung eines Kollegen, als ich ihm erzählte, wie mich mein Chef von hinten umfasste und seine Hände auf meine Brüste legte. “Mädle, das müssen wir anders machen”, trat er altväterlich auf und sah in mir doch nur das “schwache Geschlecht”. Nein, ich habe mich offiziell nicht beschwert. Nein, ich habe nicht weiter darüber gesprochen. Aber immer geschaut, dass ich dem Schweineigel nicht den Rücken kehre. In den 80er Jahren gab es noch kein für uns verfügbares Internet und kein Hashtag MeToo. Wir schwiegen und litten.
Natürlich stellst du dir die Frage: Was ist meine Schuld? Was habe ich provoziert? Was muss ich ändern? Dabei ist klar: Ich bin nicht das Problem. Ich darf die Farbe Rot lieben, in meinen Kleidern, auf meinen Lippen, an meinem Auto, an meinen Stiefeln. Rot als Signalfarbe. Aber eben nicht als Signal: Ich bin für jeden jederzeit zu haben! Mein Hund fällt mich auch nicht an, wenn ich ein Steak esse. Er ist gut erzogen. Sind das bestimmte Männer nicht? Der Verdacht liegt nahe.
Harvey Weinstein, Kevin Space, Donald Trump. Aber eben auch mein früherer Chef, mein Nachbar, der Mann einer guten Freundin oder eben der Typ im Supermarkt. Ätzend, wie oft ich peinliche Situationen erlebte. Der Griff an den Po, der Versuch, mich auf den Mund zu küssen, der blöde Spruch von “deinem tollen Holz vor der Hütte”. Peinlich? Leider nur mir – nicht dem Verursacher.
Heute bin ich selbstbewusster und weiß, wo ich die Grenzen ziehe. Blöde Sprüche kriegen von mir eine passende Antwort. Tätliche Angriffe auf meinen Körper werden mit einem Schlag quittiert. Dümmlichen Witzen entziehe ich den Boden des verschämten Mitlachens. Nein, nicht mit mir.
Ich lebe in Rastatt, einem kleinen badischen Städtchen. Hier war ich manchmal einzige Frau in Männerrunden voller Honoratioren. Ich erinnere mich an üble Witze mit Frauen als Opfer. Schamlos wurden die Zoten vor meinen Ohren erzählt. Als ich protestierte, wurde ich mehr oder weniger als Zicke eingestuft. Keine Entschuldigung, kein erwachendes Bewusstsein.
Die Diskussionen gehen weiter. Das Bewusstsein wächst. Und doch gibt es immer wieder Momente, da halte ich inne: Wenn über Männer, die ich kenne, die in der Öffentlichkeit meiner Region leben, üble Geschichten erzählt werden. Wie sie betrunken Frauen betatschen oder vermeintlich lustige, aber eben doch sexistische Sprüche loslassen. Ich erhoffe mir dann, dass die belästigten Frauen klar Stellung beziehen. Dass die Männer im Umfeld genauso klar “Nein” sagen. Dass das Thema erkannt wird. Immer und überall. Ob mit oder ohne Alkohol. Ob mit oder ohne Abhängigkeit zu der Person. Nur so schaffen wir Respekt und ein unverkrampftes Klima. Und das ist dann nicht nur ein Thema in Hollywood mit Film-Bossen, in Köln mit Schwarzafrikanern oder in TV-Runden mit Alice Schwarzer. Und ja, Gewalt gegen Frauen beginnt bereits verbal!