Lehrer sind auch nur Menschen
Kommentar zu der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern
„Ey, die Frau ist so eine Schlampe“ schreit meine Mitschülerin durch das Klassenzimmer. „Ah, toll zu wissen“ denke ich. Wird eine unsympathische Lehrerin automatisch eine Schlampe? Lehrer werden viel zu schnell verurteilt. Unsichere Lehrer sind Arschlöcher, arrogante Lehrer sind Arschlöcher, Lehrer mit Lieblingen sind Arschlöcher, Lehrer mit einem komischen Style sind Arschlöcher, praktisch alle Lehrer sind Arschlöcher. So kommt es mir zumindest vor, wenn ich mal zwei Wochen lang die Aussagen meiner Mitschüler über die Lehrkräfte analysiere.
Doch woher kommt dieser immense Hass? Dieses Unverständnis? Und vor allem woher kommt dieses Vergessen, dass auch Lehrer nur Menschen sind – Menschen, die außerhalb des Schulgebäudes auch nur Freunde, Eltern, Künstler, Sportler oder was auch immer sind.
Mich schockiert, wie schnell Schüler diese Tatsache verdrängen. Wie gerne Schüler sich darauf ausruhen, dass „die Lehrer sowieso immer die Schuldigen sind“. Wie gut sie verdrängen, dass der Lehrer ihnen eigentlich das gibt, wofür sie in der Schule sind: Wissen, Antworten, Bildung. Natürlich fällt es leichter, den Lehrkräften die Schuld dafür zu geben, dass man selbst etwas nicht versteht, nicht kann oder nicht zufriedenstellende Noten hat. Das Prinzip „Er war’s“ betäubt die Reuegefühle für die mit Netflix statt mit Lehrbüchern verbrachten Stunden. Das liefert vor allem eine plausibel klingende schnelle Rechtfertigung für allerlei Missstände, bei denen man selbst keinerlei Verantwortung übernehmen will. „Wie soll ich es verstehen, wenn ER nicht erklären kann?“, „Warum sollte ich mich mündlich anstrengen, wenn ER eh nur seinen Lieblingen gute Noten gibt?“, „Was bringt es denn zu lernen, wenn ER sowieso bescheuerte Aufgaben stellt?“. Diese Sätze sind weder zielführend noch lösungsorientiert. Trotzdem hört man sie unter Schülern viel zu häufig.
Das Lehrer-Schüler-Verhältnis sollte von Zusammenarbeit geprägt sein. Der Lehrer braucht konstruktive Kritik von Seiten der Schüler, um seinen Unterricht zu optimieren und an die Lernenden anpassen zu können. Um dieses Feedback kann er bitten oder die Schüler kommen von selbst auf ihn zu. Auch dafür gibt es schließlich Klassensprecher. Wichtig ist eine konstruktiv und respektvoll formulierte Kritik. Ein Lehrer ist ein Mensch und nur weil er einige Jahre älter ist, ist auch er nicht vollkommen. Die Erwartung an die Lehrkräfte, perfekt zu sein, ist unberechtigt und unfair. So lange die Schüler selbst nicht perfekt sind (und bisher habe ich noch niemanden getroffen, der das ist) dürfen sie auch keine Perfektion von den Lehrern erwarten.
Es ist die Kommunikation zwischen den Lehrenden und den Lernenden, die zu wünschen übrig lässt. Um diese zu verbessern, muss der Wille und die Handlungsbereitschaft auf beiden Seiten da sein. Wir Schüler wollen im Lehrerzimmer auch nicht in still (also Dummkopf), vorlaut (also Dummkopf), unorganisiert (also Dummkopf), faul (also Dummkopf) und so weiter eingeteilt werden. Wir alle haben individuelle Gründe dafür, warum wir so handeln und wie wir handeln. Genauso geht es den Lehrern. Ich halte es für unfair, einander in Schubladen zu stecken – also gegenseitig – und ohne Feedback eine Veränderung zu erwarten.
Zwar hatte ich selbst in der Vergangenheit selten den Mut, tatsächlich auf den jeweiligen Lehrer zuzugehen und ihm meine Kritik darzulegen, doch ich achte auch darauf sie nicht zu beleidigen oder zu verurteilen. Warum ich das bisher nicht getan habe, liegt hauptsächlich an der Angst, eine Verschlechterung meiner Noten zu bewirken. Gut fände ich ein anonymes Feedbackverfahren, das von Schülern vorgeschlagen oder aber aus eigener Initiative von den Lehrern eingeführt werden kann. Es gibt einige Lehrer, die wirklich engagiert, organisiert und effektiv unterrichten. Bei denen es Spaß macht und bei denen man dennoch viel lernt. Diesen Lehrern sollte man seine Wertschätzung zeigen. Zudem sollte der Austausch im Lehrerzimmer verstärkt stattfinden, damit auch Lehrer voneinander lernen können.
Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern unterscheidet sich kaum von anderen zwischenmenschlichen Beziehungen. Lästern hinter dem Rücken, Schuld in die Schuhe schieben und respektloses Verhalten führen niemals zu Veränderungen, sondern meist nur zu Konflikten. Schüler sollten einsehen, dass Lehrer nicht perfekt sein können, und beginnen, selbst die Verantwortung für ihr Lernen und ihre Noten zu übernehmen. Manchmal muss man sich auch selbst an den jeweiligen Lehrer und dessen Lehrweise anpassen. Die Lehrer mögen nicht immer die Besten sein, doch auch sie wollen nur ihre Arbeit machen und auch sie haben mal einen schlechten Tag.
Lehrer dürfen unbeliebt sein und man darf seine Meinung auch respektvoll äußern, aber aus einer schlecht unterrichtenden Lehrerin eine „Schlampe“ zu machen, weil man mit sich selbst nicht zufrieden ist und ihr die Schuld gibt, das finde ich nicht legitim!