Klimawandel bestreiken – ganz alleine
Von der Petition an die EU bis zum Streik vor dem Landratsamt
,28. August 2019
„There is no Planet B“, die Bedeutung dieses Satzes ist nun weltweit bekannt – und trotzdem sieht man von den führenden Politikern noch immer kein konkretes Handeln. Doch genau dies muss jetzt geschehen, man könnte auch sagen, dies hätte schon lange geschehen müssen.
Die Politiker zerstören mit ihrem Nichtstun unsere Zukunft, und wir Jugendlichen können auf Grund mangelnden Stimmrechts nichts an der Zusammensetzung der Parlamente verändern. In Deutschland waren bei der letzten Bundestagswahl 36,3% der Stimmberechtigten über 60 Jahre, aber nur 14,8% unter. (www.bpb.de/ nachschlagen/zahlen-und-fakten/bundestagswahlen/280397/wahlberechtigte).
Doch genau die Gruppe von Menschen, die am wenigsten stimmberechtigt ist, wird in Zukunft die Auswirkungen des jetzigen politischen Versagens erleben und unter diesen Bedingungen leben müssen. Dass ich bei Wahlen noch nicht stimmberechtigt bin, ärgert mich schon lange, denn ich möchte meine Zukunft selbst wählen. Ich will nicht die Zukunft von denen wählen lassen, die dann, wenn die Klimaauswirkungen richtig zu spüren sind, nicht mehr leben werden. In Österreich ist man bereits mit 16 Jahren aktiv berechtigt, seine Stimme abzugeben. Doch dies auch in Deutschland einzuführen, wurde bis jetzt immer von der Regierung abgelehnt.
Als ich im Juni 2018 beim Tag der offenen Tür im Europäischen Parlament in Straßburg war, nahm ich mir einige Informationshefte über die Europäische Union mit. Beim Durchlesen dieser Hefte musste ich leider feststellen, wie ungerecht und diskriminierend das Wahlrecht zum Europäischen Parlament ist. Man sollte davon ausgehen, dass bei einer gemeinsamen Wahl auch in allen Ländern die gleichen Rechte gelten. Dies ist aber unfairer Weise nicht so. So ist man in Österreich bereits mit 16 Jahren aktiv berechtigt, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen. In Griechenland ab 17 Jahren, in den restlichen Ländern aber erst ab 18 Jahren. Diese Ungerechtigkeit wollte ich aus dem Gesetz streichen lassen und schrieb im Juli eine Petition an den Petitionsausschuss der Europäischen Union. Meine Beschwerde wurde angenommen und im Ausschuss behandelt.
Im Januar erhielt ich dann eine Mitteilung, in der man mir zustimmte, es wäre tatsächlich ungerecht. Gleichzeitig teilte man mir jedoch mit, man könne von EU-Seite aus nichts ändern, da das Wahlalter nationales Recht sei und nicht einheitlich vorgegeben werden könne. Ich solle mich an meine nationale Regierung wenden. Dies war natürlich zu knapp vor der so zukunftswichtigen Wahl, dass es keine Gesetzesänderung mehr gegeben hätte. Somit konnten europaweit viele Jugendliche nicht darüber bestimmen, wie ihre Zukunft einmal aussehen sollte.
Während dieser Zeit hörte ich erstmals von Greta Thunberg und ihren Schulstreiks für das Klima. Sie hatte es geschafft, durch zivilen Ungehorsam auf das Problem des Klimawandels und der einhergehenden Verschlechterung der Lebensqualität aufmerksam zu machen. Sie schrieb keinen Brief an ein Parlament, sie widersetzte sich der Schulpflicht und hatte Erfolg. Ich merkte, dass dies der bessere Weg sei, um die Zukunft ins Gespräch der Politiker zu bringen. Leider war der wohnortsnähste Streik noch der in Stuttgart. Ich wartete darauf, dass jemand einen Streik in Rastatt organisieren würde, doch auch in den nächsten Wochen gab es keinen. Als dann auch noch die Absage aus Straßburg kam, malte ich mir ein Plakat, um am folgenden Freitag nach Schulschluss vor das Landratsamt, der höchsten politischen Einrichtung, die es in Rastatt gibt, zu sitzen.
In der Schule fand ich niemanden, der mich begleiten wollte und so setze ich mich Freitags mittags nach der Schule alleine vor das Landratsamt. Inzwischen wurden die Freitagsdemos bekannter und ein paar Mitglieder meiner Klasse waren in Karlsruhe auf der Demo. Als ich hörte, dass ein internationaler Streiktag angesetzt war, meldete auch ich einen Streik während der Schulzeit in Rastatt an. Zu siebzehnt sorgten wir vor dem Rastatter Landratsamt für Aufsehen und die nun immer wiederkehrenden Diskussionen über den Klimaschutz in der Region. Weitere Streiks folgten und dazwischen saß ich wieder alleine. Ich hoffe, dass nun endlich etwas für unsere Zukunft getan wird, und ich in einem Jahr nicht mehr bei schlechtem Wetter vor dem Landratsamt für mein Recht auf eine lebenswerte Zukunft kämpfen muss. Denn dann wird es schon zu spät sein, um noch rechtzeitig zu handeln.