Ist Schönheit in einer Beziehung wichtig?
Wenn Blinde lieben, Sehende urteilen und wir alle Blind Dates haben
Was ist schön? Ein Sonnenuntergang? Eine Blume? Ein Mensch? Schöne Blumen kaufen wir. Und was machen wir bei schönen Menschen? Bevorteilen wir sie? Haben attraktive Bewerber mehr Chancen? Finden schöne Männer und Frauen leichter einen Partner? Wie wirken sich unsere Schönheitsbilder auf die Einschätzung von Personen aus? Können wir uns davon überhaupt befreien und unvoreingenommen sein?
Selbst wenn Schönheit individuell ist, haben wir in der Gesellschaft allgemeine Schönheitsideale. Ebenmäßige Gesichtshälften lassen sich spiegeln, zeigen Harmonie und damit Schönheit. Befindet sich ein Auge höher als das andere, ist es nicht symmetrisch und gilt als unattraktiv, fast schon hässlich. Unsere Gesellschaft schreibt Körpermerkmale vor, die als schön gelten. Auch wenn diese immer wieder einem Wandel unterworfen sind. Früher galten dicke Menschen als anziehend, da ihre Leibesfülle für Wohlstand und Reichtum stand. Heutzutage sind durchtrainierte Körper attraktiv und symbolisieren Disziplin und Fitness in einer bürostuhlfesselnden Gesellschaft.
Wir lassen uns aber auch in ein Schönheitsideal hineinzwängen. Germany’s next Topmodel zeigt, wie Frauen auszusehen haben. Auf Social Networks wird eine ständige Präsenz erwartet, immer topfrisiert, immer perfekt gekleidet. Klatschmagazine kommentieren, dass Promis zu dick oder zu dünn sind. Lächeln sie einmal nicht auf dem Foto, gilt die Ehe schon als gescheitert. Passt das Outfit nicht in die Trends, ist die Person out. Aber das betrifft nicht nur die Sternchen aus Hollywood. Wenn Mädchen im Alltag sich einmal nicht schminken, werden sie gefragt, ob sie krank sind.
Wir bringen ständig Optik und Charakter in Bezug: Nähert sich ein großer, dicker Mann kleinen Kindern, kann er ja nur pädophil sein. Muss sich ein junges Mädchen übergeben, wird ihr gleich eine Schwangerschaft oder Bulemie angedichtet. Speckrollen und Pickel, Falten und graue Haare werden zu Existenzkrisen dramatisiert. Das sind die Probleme, mit denen sich sehende Menschen herumplagen.
Doch wie empfinden Menschen Schönheit, die seit ihrer Geburt blind sind? Wie entscheiden blinde Menschen, was bzw. wen sie schön finden und was/wen nicht? Ich kann mir nicht vorstellen wie es ist, keine Farben zu kennen. Blinde hingegen können sich keine Farben vorstellen. Alle Versuche scheitern kläglich, das gegenseitig zu beschreiben. Meer, Himmel und Eis sind blau. Dieselbe Farbe für komplett verschiedene Dinge. Wasser aus dem Wasserhahn hingegen soll durchsichtig sein. Hört sich alles ziemlich verrückt an, diese farbige Welt. Ein unerklärbares Mysterium.
Trotzdem empfinden Blinde Schönheit. Auf eine ganz andere Art und Weise. Eine, die der Mensch zu vergessen haben scheint. Für sie ist der Klang des Regens, das warme Gefühl der Sonne, die Stimme eines Menschen oder der Geruch der Lieblingsspeise schön. Für sie gilt: Love simple. Der Mensch ist der Charakter. Nicht das Aussehen. Es ist nicht mehr wichtig, ob die Nase krumm oder die Augen nicht auf einer Linie liegen. Es ist wichtig, wie sie miteinander umgehen können, ob sie füreinander sorgen, ob sie miteinander lachen können. Da werden ganz andere Sinne erlebt. In unserer Gesellschaft dominiert die Optik.
Was bedeutet das nun für Beziehungen? Wir sehenden Menschen sollten Blinde zum Vorbild nehmen. Das Äußere sollte immer die geringste Rolle bei einem Menschen spielen. Es sind die Kleinigkeiten, die uns einzigartig und liebenswürdig machen. Wir sollten anfangen, diese Kleinigkeiten mehr zu schätzen und zu lieben. Love simple. Love blind. Da bekommen Blind dates doch eine ganz andere Bedeutung …