Ich habe heute leider kein Buch für dich!
Liebeserklärung an Autoren und Appell an Jugendliche
Im Hintergrund höre ich sie bereits, eine kreischende Heidi Klum und am Boden zerstörte Mädchen, die heute leider kein Foto bekommen haben. Links neben mir: Goethes Faust. Da ist sie wieder – die Entscheidung, die wir täglich fällen. Fernsehen versus Literatur. Geschätzte 94 % der Bevölkerung greift in diesem Fall nach der Fernbedienung, egal welches Buch momentan zur Wahl steht. Ist Lesen aber nicht die Voraussetzung für eine gute Bildung und sollte somit fester Bestandteil unseres Lebens sein?
Ich bin ein Fan von Literatur. Ich liebe es zu lesen. Deshalb empfinde ich den Stellenwert von Büchern in der Freizeitgestaltungen von Jugendlichen als besonders bedenklich. Ich spreche nicht nur von den großen Werken der Literaturgeschichte, allgemein Bücher, egal welches Genre, werden vernachlässigt. Dabei lässt es sich nicht leugnen, dass Lesen uns hilft, unseren Wortschatz zu erweitern und unsere Ausdrucksweise zu verbessern. Auch unbewusst setzen sich Grammatik und Satzbau gelesener Texte in unserem Sprachgebrauch fest. Autoren werden zu Vorbildern. Goethe, Hesse, J.K. Rowling – sie alle faszinieren auf ihre Art, mit Phantasie, Rhetorik, Stil und Wortgewandtheit. Literatur prägt. Literatur beeinflusst. Literatur inspiriert. Wir müssen es nur zulassen.
Es ist wichtig, sich für Bücher zu öffnen. Geschichten und Informationen nicht nur wahrzunehmen, sondern sie zu reflektieren und zu hinterfragen. Für solches Handeln, sich selbst weiterzubilden, appellierten bereits große Philosophen, wie auch Immanuel Kant. Wir besitzen alle einen vernünftigen Verstand, wir müssen ihn lediglich benutzen. Dann, können Bücher viel mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung sein. Sie können uns anregen, innovativ zu sein und Gegenwärtigkeiten unserer Gesellschaft stets zu verbessern.
Sollten Jugendliche gezwungen werden, Literatur zu lesen? Beispielsweise durch die Schule? Ich denke, das wäre der falsche Weg. Zwang birgt immer ein negatives Gefühl und bedingt Stress. Es werden komplett falsche Gefühle für Bücher, gerade für Klassiker von Goethe, Schiller oder Hölderlin, vermittelt. Werke, deren Sprache uns zunächst altertümlich und damit nicht cool erscheinen.
Lesen ermöglicht neue Perspektiven, die nur durch Eigeninteresse und Motivation entstehen. Woher diese Motivation kommen soll? Frühkindliche Erziehung! Vorlesen fördert bekanntermaßen und wissenschaftlich belegt die Entwicklung des Kindes. Helden und Prinzessinnen lassen eine andere Welt entstehen. An die Welt von unvergessenen Märchen und Geschichten erinnern wir uns auch mit zunehmendem Alter gerne. Weil die Bilder dahinter durch die engsten Bezugspersonen, unsere Eltern und Großeltern, geschaffen wurden.
Natürlich macht uns Bücher lesen alleine nicht zu gebildeten Menschen. Aber umgekehrt gilt: Gebildete Menschen lesen. Darum ist diese Botschaft ganz deutlich: Greift zum Buch! Überwindet Faulheit und Unlust! Fordert euren Geist! Nicht nur um euren eigenen Willens wegen, sondern auch zum Wohle der Gesellschaft! Worte und Ideen machen unsere Welt existent – unsere eigene, kleine Welt, die große Dinge vollbringen kann.
Quelle : Die Zeit, Nr. 51, 11.Dezember 2003