Ich beziehe kritisch Stellung!
Heute sehe ich Politikverdrossenheit anders – neue Gedanken zu einem alten Thema
Sie kennen mich nicht? Das ist ok. Sie haben noch nie einen meiner Artikel gelesen? Auch das ist ok, ein bisschen schade, zugegeben. Jetzt, da sie schon mal hier sind, kann ich auch offen mit Ihnen reden. Ich habe etwas auf dem Herzen. Etwas, was auch einen Fremden etwas angeht. Mich quält die Reue, dabei war es doch nur ein Artikel. Ein Aritkel ein bisschen so wie dieser hier. Nicht, dass mein Artikel ein Fehler war! Aber selbst wenn doch, wie Sie sehen werden: Auch das wäre ok.
Ich saß also letztens da und stöberte durch unsere alten Ausgaben. Beim Lesen meines Kommentars zur Politikverdrossenheit breitete sich ein unangenehm flaues Gefühl in meinem Bauch aus. Ich suchte darin den Grund für Verdrossenheit vor allem in der neuen Weise, wie wir in einer postmodernen, digitalen und sich ständig verändernden Gesellschaft als junge Generation mit der Welt umgehen. Ich setzte mich mit einigen meinungsabbildenden Studien auseinander, die sich mit der Einstellung meiner Generation zum politischen Geschehen beschäftigten. Ich sehe mich nun in der Verantwortung, zu meinen Äußerungen kritisch Stellung zu beziehen, um des guten Amateurjournalismuses Willen. Das ist zwar ein Kommentar eines Kommentars, aber das ist ok, glauben Sie mir.
Es fehlen einige wichtige Perspektiven. Aus meiner Sicht von heute. Es stimmt, dass Politik für unseren Lebensstil und das Weltgeschehen schlichtweg zu langwierig agiert. Dass wir weniger Idealisten unter uns finden, war ebenfalls ein wichtiger Punkt. Es gibt einen Vertrauensverlust und kaum noch Autoritätspersonen. Die Frage nach der öffentlichen Wahnehmung von Politik nach und während des immensen Wandels in unserer Medienlandschaft büßt keinerlei Dringlichkeit ein, Antworten allerdings sehe ich in vielen Entwicklungen. Revolutionär war der Gedanke schon gestern nicht.
Zunächst mal eine Sache, die ich damals nicht richtig ausgeführt habe. In früheren Jahrzehnten war es wohl leichter, Idealist zu sein. Was denken Sie, wieso die Studien dies feststellen mussten? Es wird zunehmend schwieriger, sich einer bestimmten Richtung zu verschreiben, wie kommt’s?
Immer mehr Streitfragen zu Datensicherheit, Umweltschutz, Globalisierung, Gentechnik, Feminismus und vielen weiteren Themen zerreißen die klaren Linien der Parteienlandschaft und machen es schwieriger, abgeschlossene Konzepte zu entwickeln. Die Pole links/rechts reichen als Dimensionen längst nicht mehr aus. Die Meinungen innerhalb einer Partei variieren mit weitem Spiel, auch in den Flügeln. Umweltschützer könnten Fan oder Feind von Internationalisierung sein, ebenso verhält es sich mit Linken, Konservativen und Liberalen. Gerade der Gegensatz national/global zieht sich als Zerreißprobe durch alle Parteien und Konzepte. So weit, so ungut.
Doch auch die Zielgruppen ändern sich. Der “Arbeiter” schwindet wie auch die Bilder schwinden, die mit den Worten Doktor, Arzt oder Pfarrer verbunden sind. Die Welt ist bunt und auch im Dunkeln hat meine Katze mehrere Grautöne. Relativität, Hochspezialisation und extrem schnelle Veränderung, das habe ich über unsere Zeit lernen können. Das macht Politik nicht leichter, unsere Gesellschaft effizienter, aber auch wesentlich komplizierter. Die Mobilität der Postmoderne und die Internationalität unserer Medien lassen zudem regionale Politik mancherorts aus dem Fokus vieler junger Leute fallen. Das Alles entfernt Poltik weiter vom Alltag, von Bürgern, wie die Großeltern von den Enkeln. Die Welt dreht sich zu schnell, jetzt, wo sie so klein ist.
Was mir aber vor allem anderen bewusst wurde: Ich habe den schwarzen Peter dem Bürger zugeschoben. Damals wie jetzt gerade. Einfach nur, weil sonst so oft x-beliebige Politiker herhalten mussten. Beides ist lächerlich. Am schlimmsten ist jedoch, dass Sie sich vermutlich genau so wenig wie meine Wenigkeit wundern, dass ich gerade eine Trennung von Bürgern und Bürgerinnen auf der einen Seite und denen, die Politik machen, auf der anderen Seite vollzogen habe. Unsere Sprache zeigt die Ohnmacht unseres Denkens.
Der Staat sind wir. Wir sind EIN “Wir”. Es muss wieder so begriffen werden. Wir müssen unsere Macht begreifen um sie zu erhalten. Nicht “was kannst du für Deutschland tun?” oder “Deutschland für dich?”. Sondern: Was können wir gemeinsam für uns tun? So doof es klingt: WIR schaffen das. Eigentlich ein schöner Satz, wäre da nicht die Geschichte dahinter und die, die darauf folgte.
Direkter, transparenter, international und vielfältig? Sind das Wünsche, deren Erfüllung der zu Grunde liegenden Hoffnung Rechnung tragen können? Ich bin nicht ganz sicher, sehe aber Potenzial. Bedarf es gar einer neuen politischen Landschaft, neuen Parteien, gar einem Überdenken der Systeme? Dies sollte meiner Meinung nach zumindest nicht der Fokus werden. So bleibe ich bei meiner damaligen Einstellung. Wir müssen die Institutionen, die schon so vieles gebracht haben, bewahren und gleichzeitig verändern. Institutionen sind überpersonelle soziale Gebilde von Normen, die auch bestehen, falls einzelne Individuen ausgetauscht werden. Sie manifestieren sich in Verhaltensweisen oder gar Organisationen. Das heißt aber nicht, dass wir als Neue nicht etwas verändern könnten.
Ich bin Reformer, Revolutionen halte ich nur in extremen Situationen für sinnvoll. Eine Reform kann für mich eine Summe vieler kleiner, alltäglicher Revolutionen sein. Eben das dürfen wir nicht verdrängen: Diese Gebilde erlauben kleine Schritte, machen diese aber somit sicherer und ermöglichen sie für viele. Diese Möglichkeiten sollten wir ergreifen. Was aber genau nahm so vielen das Vertrauen in diese Strukturen?
Hier nun gibt es so einige Punkte, die der Erwähnung in meinem Artikel bitter nötig gewesen wären, damit sich klare Gegner etablierter Institutionen nicht vor den Kopf gestoßen fühlen: Spendenaffäre, NSA-Affäre, Bankenrettung, Dieselskandal und und und. Die Gesellschaft hat jedes Recht, sich betrogen und belogen zu fühlen. Vieles wurde nie wirklich aufgearbeitet oder verarbeitet. Auch der Lobbyismus von Seiten der Großunternehmen ist immer noch intransparent und sein Einfluss immens. Wir alle als Gesamtheit sind aber die einzigen, (wer bleibt auch sonst übrig?), die dies ändern können. Brauchten wir eine AfD als nervigsten Wecker?
In unzähligen kleinen Schritten läuft Veränderung, bevor wir sie sehen. Wir verändern uns schneller, als unser Spiegelbild es sehen kann. Die technischen Medien, ein Spiegel der Gesellschaft, vor dem sie Grimassen zieht. Sie sind einfach nicht genug als Kommunikationmittel.
In den nächsten Jahren stehen Parteitage, Diskussionforen und außerparlamentarischer Aktionismus auf dem Plan. Da der Umweltschutz mein wichtigstes Anliegen ist, steht zunächst ein Praktikum bei einer Umweltorganisation und ein Besuch bei den Grünen auf der Liste. Auch bei anderen Parteien oder Organisationen werde ich vorbeischauen. Neue Bewegungen, gar Parteien oder einzelne Ideen, sie sollen auf meinem Weg herzlich willkommen sein. Verdrossenheit aber gegen Politik als Ganzes oder unser System im Allgemeinen wird dieses weder retten noch für sich genommen Alternativen schaffen. Da muss man schon anpacken. Wer dabei dann die Gedanken, die sich Leute in diesen Organisationen machen und sich jahrelang gemacht haben, gänzlich außen vor lässt, begeht meiner Meinung nach einen fatalen Fehler. Eltern werden auch keine schlechten Eltern, nur, weil Teenies sie so nennen. Auch von Menschen, die Fehler machen, lässt sich lernen, und zwar nur, wenn man sich selbst nicht scheut, welche zu begehen.
Dieser Sommer 2019 soll politisch werden und Zeit meines Lebens so bleiben. Was auch immer das in Zukunft heißen mag. Auf Worte sollen Taten folgen: Das sehe ich als meine mir selbst auferlegte Verantwortung! Und was bringt Sie so richtig zur Weißglut, zum Schwitzen? Ein Sprung ins kalte Wasser gefällig?