Haben wir eine Zukunft?
Gedanken zum Thema Zeit: ein Versuch zum Scheitern
Ich möchte gerne Zeitpunkte festhalten. Um zu bemerken, dass Ereignisse und Momente viel zu schnell verstreichen – und die Zukunft mit jeder vergangenen Sekunde beginnt. So fängt meine Suche nach der Zeit an. Ist es möglich, meine Zukunft zur Gegenwart zu machen und sie zu bestimmen, damit ich länger im Augenblich verharren kann? Gibt es überhaupt Zeitpunkte im Leben? Die Frage nach der Zukunft, dem Schicksal oder einer Vorherbestimmung stellt sich immer wieder in unserem Leben. Klare und belegbare Antworten gibt es bisher keine. Und dennoch bleibt uns die Philosophie und deren Rätsel, welche möglicherweise den Weg zur Erkenntnis verkürzen können. Wie man sich dieser anzunähern versucht, wurde in meinem Schulunterricht diskutiert. Wir betrachteten folgende Textstelle aus Momo (von Michael Ende, 1973). So werde die vorerst grundlegenden Fragen aufgezeigt.
Drei Brüder wohnen in einem Haus
Die sehen wahrhaftig verschieden aus,
doch willst du sie unterscheiden,
gleicht jeder den anderen beiden.
Der Erste ist nicht da, er kommt erst nach Haus.
Der Zweite ist nicht da, er ging schon hinaus
Nur der Dritte ist da. Der kleinste der drei,
denn ohne ihn gäb´s nicht die anderen zwei.
Und doch gibt´s den dritten um den es sich handelt,
nur, weil sich der erst´ in den zweiten verwandelt.
Denn willst du ihn anschaun, so siehst du nur wieder
Immer einen der anderen Brüder!
Nun sage mir: Sind die drei vielleicht einer?
Oder sind es nur zwei? Oder ist es gar – keiner?
Und kannst du, mein Kind, ihre Namen mir nennen,
so wirst du drei mächtige Herrscher erkennen.
Sie regieren gemeinsam ein großes Reich –
Und sind es auch selbst! Darin sind sie gleich.
Die drei Brüder des Rätsels stellen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dar. Sie sind die Elemente unserer Vorstellung von Zeit. Die Frage ist nun, welches der drei existiert, oder ob man sie überhaupt zu trennen vermag. Um die Frage nach der Zeit zu beantworten, gibt es zwei grundlegende Theorien, die des Eternalismus und die des Präsentismus.
Der Eternalismus geht davon aus, dass alle Brüder gleichermaßen existieren. Das bedeutet, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu jedem Zeitpunkt wahrhaftig sind. Beispielsweise existiere ein noch ungeborenes Kind zu diesem Zeitpunkt, wie auch der längst verstorbene Philosoph Aristoteles. Betrachtet man die Zeit als Ganzes außerhalb unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten, zum Beispiel als ein gottähnliches Wesen, sähe man somit ein unendlich langes Band. Bestehend aus Zuständen in unendlich kurzen Abständen. Nichts würde sich bewegen, da die Gegenwart kein Zeitpunkt ist. Wir befänden uns demnach in einem Blockuniversum, das man sich tatsächlich als einen unendlich großen Kasten vorstellen kann. Wir selbst würden daher im Gesamten immer existieren und die Zeit würde nicht fließen. Im Grunde wird bei dieser Theorie zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht unterschieden und alle drei Formen gleichberechtigt existierend festgelegt. Somit wird das große Problem bei dieser Theorie deutlich. Es ist wohl kaum annehmbar, dass Aristoteles existiert, obwohl er tot ist. Und in Bezug auf die Zukunft fällt es uns ebenso schwer zu glauben, sie existiere bereits und wäre damit vorherbestimmt und nicht mehr zu ändern. Vordergründig scheint nun der Präsentismus die logischere Theorie zu sein.
Der Präsentismus nimmt die gegenteilige Position ein und vertritt die Meinung, dass nur die Gegenwart existiere. Die vorherige Problematik wäre hiermit gelöst, da durch das Nichtvorhandensein der Vergangenheit ebenso wenig Aristoteles existiert. Die gesamte Zukunft würde erst durch die unendlich kurze Gegenwart Realität und sei nicht vorherbestimmt. Das bedeutet, die Zeit als solches müsste fließen und könnte von außen betrachtet nur als ein sich ständig veränderndes Bild wahrgenommen werden. Doch allein diese These widerspricht sich. Wenn Vergangenheit und Zukunft nicht existierten, wie könnte dann Zeit vergehen? Um Dynamik in die Zeit zu bringen, muss sich Zukünftiges in Vergangenes verwandeln. Der Präsentismus umgeht dieses Problem, indem von einem Bezugssystem ausgegangen wird. Die Zeit, in der wir leben, fließe demnach entlang einer „Superzeit“. Durch diese werde Richtung, Geschwindigkeit und Bewegung möglich. Man muss sich dies wie eine Ebene (Unsere Zeit) vorstellen, die an einem unendlich langem Zeitstrahl („Superzeit“) vorbei fließt. Jedoch stellt sich jetzt die Frage nach der „Superzeit“. Existiert in ihr wieder nur die Gegenwart? Der Präsentismus gibt darauf keine Antwort. Denn existiere in der „Superzeit“ nur die Gegenwart, benötigte diese ja wiederum ein Bezugssystem, um fließen zu können, was schließlich zu einem Teufelskreis führt.
So ungewiss wie alles zu sein scheint, ist eines ganz klar: Wir leben im Hier und Jetzt und ab und zu sollte ein jeder lernen, die Zeit zu vergessen. Denn es lässt sich unschwer sagen, dass Zeit nicht in Worte zu fassen ist und wir Menschen bisher kläglich an dem Versuch, sie zu erklären, gescheitert sind. Die Wissenschaft wird möglicherweise in Zukunft eine Erklärung finden, doch wer weiß schon, ob diese überhaupt existiert. Denn nun sage mir: Sind die drei vielleicht einer? Oder sind es nur zwei? Oder ist es gar – keiner?