„Einkaufen muss wieder Teil unseres Kulturgutes werden“
Interview Teil II mit Jürgen Mäder und Michaela Meyer von Edeka Südwest
RAVOLUTION: Ist umweltbewusstes Einkaufen eine Herausforderung sowohl für alle Läden als auch für alle Verbraucher?
Michaela Meyer: Natürlich! Wir machen schon vieles, manches wird aber nicht immer gleich wahrgenommen. So werden wir immer wieder gefragt, ob Edeka nicht Gemüsenetze anbieten kann. Wir zeigen dann, dass wir sie im Obst- und Gemüsebereich längst haben. So geht es uns auch mit der Karte für die Baumpflanzaktion. Auch das wird noch nicht von allen wahrgenommen, aber die Zahl der Teilnehmer wächst.
(Anmerkung der Redaktion: Bei diesem alternativen Bonusprogramm der Baumpflanzaktion können Kunden Punkte sammeln, wenn sie beim Einkaufen von Obst und Gemüse die angebotenen Mehrwegnetze bzw. an den Bedientheken Frischeboxen nutzen. Ist die Karte voll, wird ein Baum gepflanzt. Die ersten Bäume sind regional bereits eingesetzt. Die Aktionen werden von Medien begleitet.)
RAVOLUTION: Vielleicht bewerben Sie es nicht genug. Oder die MitarbeiterInnen Ihrer Märkte weisen nicht darauf hin.
Jürgen Mäder: Es ist eben eines von vielen Themen und manche Dinge brauchen Zeit, bis sie gelebt werden. Weitermachen tun wir trotzdem. Wir haben zum Beispiel vor, die in den Filialen unserer Bäckerei K&U angebotenen To-Go-Becher ebenfalls in die Aktion Baumpflanzkarte zu integrieren. Das gilt auch für einen Mehrweg-Brotbeutel, den wir einführen werden.
RAVOLUTION: Werden die MitarbeiterInnen dafür geschult? Sie haben ja selbst gesagt, die MitarbeiterInnen brauchen ein Bewusstsein, damit gute Konzepte umgesetzt werden.
Jürgen Mäder: Schulungen sind ein wichtiges Thema. Die Frage ist letzten Endes, wie kriegen wir diese vielen Themen an den Verbraucher? Schön ist, wir haben bereits 500 000 der Gemüsenetze verkauft.
RAVOLUTION: Wir VerbraucherInnen müssen uns umstellen und bewusst und mit Planung einkaufen. Um Verpackungen zu vermeiden, müssen wir Netze, Beutel und Boxen in den Markt mitbringen. Tun Sie das selbst auch bei Ihrem privaten Einkauf?
Jürgen Mäder: Klar, man muss sich gut vorbereiten. Das geht ja alles gemeinsam einher. Einkaufen muss wieder ein Teil unseres Kulturgutes werden. Also ich setze mich mit meiner Frau spätestens donnerstags abends hin, und wir fragen uns, wie es mit unserem Wochenende aussieht. Das ist auch deshalb praktisch, weil wir wenig Zeit füreinander haben, weshalb wir alles durchplanen. Dann gehen wir bewusst einkaufen, es fehlt nichts, und wir kaufen die richtigen Dinge ein.
Michaela Meyer: Natürlich muss auch das grundsätzliche Umdenken in den Köpfen der Menschen anfangen. Wer bei einer Umfrage die Aussage macht, dass einerseits das Tierwohl wichtig ist, andererseits es aber nicht schafft, das an der Theke umzusetzen, weil er nur das billige Hackfleisch kauft – dann passt das nicht zusammen. Das ist nicht konsequent.
Jürgen Mäder: Stichwort Preise. Wir diskutieren viel. Zum Beispiel das Bruderhahn-Projekt. Daran war auch ich als Geschäftsführer direkt beteiligt.
(Anmerkung der Redaktion: In den meisten Betrieben für Hähnchenfleisch oder Eier werden die männlichen Küken aus Kostengründen geschreddert. „Bruderhahn“ macht das nicht: Durch den Kauf von BID-Eiern und BID-Hähnchen tragen KundInnen zu mehr Ethik in der Bio-Landwirtschaft bei.)
Preiswürdigkeit ist auch hier ein wichtiges Thema. Eier von Betrieben aus der Region sind im Einkauf teurer als die im Preiseinstiegssegment, das Gleiche gilt für Bio-Eier. Auch der Punkt Bruderhahn wirkt sich auf den Preis aus. Der Kunde ist preissensibler, als man denkt. Von daher ist bei diesen Angeboten die Kommunikation zum Kunden besonders wichtig.
RAVOLUTION: Das ist der Punkt, den wir immer wieder hören. Du kaufst dir einen sehr teuren Grill und legst dann das Billigste vom Billigsten drauf. Oder sehen wir uns doch Fast food an. Da wird schnell und billig, meist mit viel Verpackung produziert und konsumiert. Müssen wir hier nicht auch umdenken: Mehr “Slowfood” und dabei lernen, wieder Produkte selbst zu machen, also bewusst die Grundzutaten einkaufen und verwerten statt vieles wegzuwerfen.
Jürgen Mäder: Das ist doch das Schöne. Ihr jungen Menschen, die hier gerade am Tisch sitzt, denkt doch so. Wir erkennen dieses Thema. Im Alter von 25 Jahren und jünger sehen wir in der Marktforschung wieder ein höheres Bewusstsein dafür. Viele junge Menschen kommen zu uns, um bewusster einzukaufen, fragen nach bestimmten Produkten und sind bereit, mehr Geld für bessere Lebensmittel auszugeben. Das sehen wir und darauf reagieren wir.
RAVOLUTION: Vieles verändert sich. Aber nehmen wir zum Beispiel die sehr gute Salatbar in Edeka-Märkten. Da stört uns, dass man auch hier wieder einen Plastikcontainer benutzen muss, um den Salat mitnehmen zu können. Warum gibt es dafür kein anderes System ohne Plastikmüll? Also ein durchdachtes Angebot, damit nur der Inhalt abgewogen und bezahlt werden kann.
Michaela Meyer: Das ist mein großer Wunsch! Aber das Problem ist, dass man einen Schöpflöffel hat, mit dem man den Salat in die Box füllt. Wenn aber der Löffel die fremde Box berührt, die hygienisch nicht einwandfrei ist, weil sie von außerhalb des Marktes kommt, und der Löffel dann wieder zurück in den Salat wandert, ist das nicht unproblematisch. Daran scheitert es im Moment gerade.
RAVOLUTION: Wieso benutzt man dann keine Mehrwegboxen? Also Boxen, die man bei Edeka gegen ein Pfand holt, sie zurückbringt, und in der Filiale nimmt man dann eine andere saubere Box mit.
Jürgen Mäder: Das ist ein großer Aufwand, aber wir sind kontinuierlich auf der Suche nach praktikablen Lösungen.
RAVOLUTION: Auch bei Ihrem Tee, den Sie in vielen Filialen lose zum Abfüllen anbieten, gibt es nur Plastiktüten. Was spricht denn dagegen diese Tüten gegen Papiertüten auszutauschen?
Jürgen Mäder: Das Schöne ist, wir haben angefangen mit diesen losen und unverpackten Waren. Wir müssen da alle mitgehen, bewusst anbieten und bewusst einkaufen. Der nächste Schritt ist, dass wir einfach intelligente Transportlösungen finden, und da sind wir ja nicht allein auf der Welt. Die Lösungen müssen jedoch mit den Vorgaben des Gesetzgebers konform sein. Wir haben viele Ideen und sind damit im Umbruch.
RAVOLUTION: Natürlich wundern wir uns, wenn geschälte Ananasringe in Plastikbechern verkauft werden. Mittlerweile wissen wir, dass so auch aussortierte Ware verkauft werden kann.
Michaela Meyer: Das ist ja nicht nur schlecht. Wer als Einzelperson einkauft, isst auch keine gesamte Melone. Dann werden die Reste weggeschmissen. Das ist auch nicht sinnvoll, nur damit ich ein wenig Plastik spare.