„Edeka ist einer der größten Unverpacktläden Deutschlands“
Interview in der Zentrale von Edeka Südwest: Wir wollen mehr wissen!
Wenn wir besseren Klimaschutz wollen, müssen wir Verbündete suchen. Wir warten nicht darauf, dass die Politik – in Brüssel, Berlin oder in Washington – etwas durch Gesetze oder Verbote regelt. Wir reden mit Menschen, die zu Veränderungen beitragen können! Dazu gehören die Verantwortlichen vom Einzelhandel. Edeka ist der größte deutsche Lebensmitteleinzelhändler. Hier unser Interview mit Jürgen Mäder, Geschäftsführer Edeka Südwest. Zum Verbund gehören rund 1.200 Märkte in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, in Südhessen und Teilen Bayerns mit mehr als 44.000 MitarbeiterInnen.
Ein Gespräch in drei Teilen, bei dem auch Michaela Meyer dabei war, Geschäftsbereichsleitung Nachhaltigkeit bei Edeka Südwest. Wir waren von RAVOLUTION zu viert in der Zentrale in Offenburg (von links): Ruben Kininger, Jessica Stolzenberger Laurin Langenheine und Chefredakteurin Ute Kretschmer-Risché (die das Foto machte). Im Büro von Jürgen Mäder (Bildmitte), der ein Zitat seines Vorbildes Albert Schweitzer hinter seinem Schreibtisch hängen hat.
RAVOLUTION: Herr Mäder, wir haben Edeka-Filialen besucht und festgestellt, dass Ihre Märkte im Umbruch sind. Vor allem wird verstärkt Plastik reduziert. Wie ist es bei Ihnen persönlich, achten Sie darauf, plastikfrei einzukaufen?
Jürgen Mäder: Ja, auf jeden Fall. Wobei es auch nicht ganz leicht ist. Nur weil wir jetzt statt Plastiktüten Papiertüten nehmen, heißt das noch lange nicht, dass die CO2-Bilanz besser wird. Dennoch: Jeder Bereich ist bei uns auf das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert. Ein Schwarz-Weiß-Denken bringt uns aber nicht weiter. Wir müssen auch an die Haltbarkeit der Lebensmittel denken.
RAVOLUTION: Sie sagen, das Thema sei sensibilisiert, was genau plant Edeka dafür in der Zukunft?
Jürgen Mäder: Konkret planen wir gerade die Erweiterung sogenannter Unverpackt-Angebote in unseren Märkten. Außerdem sollen die Verpackungen kontinuierlich reduziert und der CO2-Ausstoß bis 2050 um die Hälfte verringert werden, im Vergleich zu 2009.
RAVOLUTION: Trotz Ihrer Ambitionen sehen wir weiterhin einzelne Stücke einer Wassermelone, abgepackt in Plastik, und Shampoos, die Mikroplastik enthalten. Sollte Ihrer Meinung nach so etwas verboten werden?
Jürgen Mäder: Aus meiner Sicht ist es wichtiger, entsprechende Angebote zu machen und Anreize zu schaffen, als den Kunden zu bevormunden.
RAVOLUTION: Aber ist Edeka nicht in der Pflicht, seine Kunden zu „erziehen“?
Jürgen Mäder: Wir erziehen nicht, sondern wir bieten Alternativen. Zum Beispiel Einkaufsnetze. Mit denen kann der Kunde mit einem „grünen Gewissen“ einkaufen. Eigentlich sind die Netze dafür gedacht, sie so oft wie möglich wieder zu verwenden. Jedoch beobachten wir bisher, dass mache Kunden dies noch nicht so handhaben. Darüber hinaus gibt es hinsichtlich der Bedeutung ökologischer Themen bei unseren Kunden auch regionale Unterschiede.
RAVOLUTION: Dennoch zeigt sich in den letzten Monaten, dass das Bewusstsein immer grüner wird. Oder täuschen wir uns?
Jürgen Mäder: Wir als Unternehmen, und auch ich selbst, möchten uns hierbei stetig weiterentwickeln. Schon heute ist es so, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte unseres Unternehmens angekommen ist.
RAVOLUTION: Spüren Sie keinen Gegenwind?
Jürgen Mäder: Natürlich begegnen uns auch Vorbehalte. Aber Green-washing ist nicht unser Anspruch. Wir setzen vielmehr auf eindeutige Maßnahmen. Beim Ausbau unseres Unverpackt-Sortiments beispielsweise wünsche ich mir, dass man uns für solche Projekte auch die Chance gibt, dass wir loslaufen und Dinge ausprobieren können, und dass es auch vom Kunden unterstützt wird. Manche Dinge brauchen etwas Zeit. Das haben wir z.B. 2014 mit der Einführung der Veggie-Theke zu spüren bekommen. Bis dahin war es kaum denkbar, dass ein Vegetarier oder Veganer an die Fleischtheke geht, um sich etwas zu holen. Aber warum denn nicht? Gerade wenn ich mich für gute Qualität interessiere und verpackungsfrei einkaufen möchte, ist das eine sehr gute Möglichkeit. Es war meiner Meinung nach unsererseits ein mutiger Schritt.
RAVOLUTION: Sie haben bereits unverpackte Lebensmittel angesprochen. Wird Edeka Südwest auch einen Unverpackt-Laden eröffnen und, wenn ja, wann?
Jürgen Mäder: Spruchreif ist nichts, aber ich kann mir vorstellen, dass wir uns ein solches Format in den nächsten 12 Monaten mal genauer anschauen. Dennoch zählt: Wir wollen in den bisherigen Filialen immer mehr auf Unverpackt setzen und sind da bereits auf einem guten Weg. Wir haben im Lebensmitteleinzelhandel die geringste Plastikquote in den Obst- und Gemüseabteilungen und bieten bereits mehr als die Hälfte dieses Sortiments ohne Plastikverpackung an. Dies hat ein aktueller Marktcheck der Verbraucherzentrale Hamburg sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband ergeben. Der Anteil von plastikverpacktem Obst und Gemüse liegt in der Branche im Durchschnitt noch immer bei fast zwei Dritteln. Bei unserer Auswahl an unverpackten Lebensmitteln könnte man vor dem Hintergrund unseres Marktanteils etwas zugespitzt durchaus sagen, dass Edeka einer der größten Unverpacktläden Deutschlands ist, wenn auch nicht im klassischen Sinn.
RAVOLUTION: Sind Sie mit dem Thema Ihrer Konkurrenz wie Rewe oder Aldi voraus?
Jürgen Mäder: Nachhaltigkeit steht inzwischen überall auf der Agenda. Wir bei Edeka müssen als Genossenschaft der Kaufleute dabei immer alle mit ins Boot nehmen, wenn wir etwas Neues angehen wollen. Da hat es ein Discounter etwas leichter, der das von oben nach unten durchziehen kann und dann auch laut in den Werbemedien auftritt. Das können wir nicht. Wir brauchen zuerst eine breite Kundschaft, die das unterstützt. Deswegen ist Edeka wohl auch immer etwas leiser in der medialen Wahrnehmung. Dafür sind wir meiner Ansicht nach konkreter und verbindlicher unterwegs.
RAVOLUTION: Es liegt also am „Föderalismus“ bei Edeka?
Jürgen Mäder: Ja, es ist eben auch eine Chance, die wir gemeinsam ergreifen.