Der Boomerang der Freundlichkeit
Wie ich aus einem grauen Alltag ein buntes Leben mache
Wer kennt das nicht? Der Alltag zieht grau und stumm an einem vorbei. Kein Lichtblick zu sehen. Der Partner nervt und nichts bringt Freude. Frustriert über sich selbst und die Welt, isst man einen Schokokeks nach dem anderen – in der Hoffnung, dass sie einem etwas Freude bringen. Aber es funktioniert nicht, das Sofa bleibt grau, der Himmel ist grau – die Welt bleibt ein Stummfilm.
Was einen Film ausmacht ist seine Dramatik – diese filmreifen Momente bleiben allerdings im echten Leben aus: Die schicksalshafte Begegnung zweier Liebender, das Herbstblatt, das in Slow Motion den Baum hinunterfällt, ein bedeutungsvolles Gespräch zweier Fremder in der Bahn, der freundliche Blick eines Busfahrers. Wenn wir Filme schauen, sind es diese kleinen Momente, die einem Film das besondere Etwas geben und ihn romantisieren. Nach einem solchen Film fühlt die reale Welt sich leer und bedeutungslos an, weil einem selbst nie dergleichen passiert. Dass der Schwarm mit Gitarre vor dem Fenster steht und einem die Liebe gesteht.
Die reale Welt ist grau und farblos – sagt ein sogenannter „Realist“. Der Meinung bin ich nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch – auch ich würde mich selbst als Realistin bezeichnen. Die Lage um den Klimawandel ist katastrophal, manche Politiker würde ich gerne selbst mal von Hartz 4 leben lassen und andere mal für einen Tag nach Syrien abschieben. Aber das kann ich mir (leider) nur vorstellen – niemals realisieren.
Jetzt stellt sich aber die Frage – wieso ist die Welt für mich nicht farblos, grau und stumm. Dazu muss ich sagen – an manchen Tagen ist sie es. Vor allem wenn direkt vor meiner Nase etwas passiert, das mir ungerecht vorkommt und auf das ich keinen Einfluss habe. Da habe ich das Bedürfnis, mich in meinem Bett zu verstecken, vor Freunden und Familie, vor Verantwortung und allen eigenen (und uneigenen) Problemen. Ich will dann nicht aufstehen, mit niemanden reden. Am liebsten einfach nur weinen, schlafen oder irgendetwas spielen. Mich in einer Welt verstecken, in der es keine Probleme gibt und in die ich voll und ganz eintauchen kann. Das ist vollkommen normal. Ich glaube, jeder normale Mensch hat solche Tage.
(Wenn DU allerdings NUR solche Tage kennst – bitte informiere dich über Depressionen und Anxiety. Spreche mit jemanden darüber. Das können Freunde und Familie sein, oder auch die Hotline der Deutschen Depressions-Hilfe: 0800 / 33 44 533. Viele Menschen haben Depressionen. Du bist nicht allein!)
Solche Tage sind wichtig für uns. Jeder Mensch sollte weinen dürfen, wenn ihn etwas traurig macht. Wichtig ist nur, Kraft aus dieser Wut und Verzweiflung zu ziehen. Kraft daraus zu schöpfen, um Sachen besser zu machen – zu verändern.
Diese Lehre habe ich zumindest aus meinen „schlechten“ Tagen gezogen. Gut, auf Folgendes bin ich nicht ganz alleine gekommen. Der Film Cloud Atlas hat mich auf diese Lebensphilosophie gestoßen. Denn: Mein Leben wird niemals ein Film sein, niemals romantisiert, niemals mit einem Pop-Song unterlegt. Egal wie oft irgendwelche Influencer Bilder von sich posten, wie romantisch eine Schwangerschaft sein kann. Es ist eine Illusion. Hinter jedem Bild von BiBi (oder wie ich sie nenne: Blondie Nummer 1) steht ein Fotograf. Jedes Bild von Dagi Bee (Blondie Nummer 2) ist nicht nur von einem tatsächlichen Filter überlegt, sondern auch von einem sprichwörtlichen: der rosa-roten Brille.
Ich habe mich also gefragt: Wie kriege ich es hin, tatsächlich mein Leben glücklicher zu machen – als Realistin. Ohne unrealistische Ansprüche an mein Leben zu stellen und zu erwarten, dass es so ist wie bei Blondie 1 & 2 (und wahrscheinlich noch 1000 anderen) oder wie es mir Disney-Filme es vorgaukeln?
Ganz einfach: Es geht darum, die kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen. Nicht nur was einem passiert, sondern auch aktiv dafür zu sorgen. Denn: Freundlichkeit hat einen Boomerang-Effekt.
Lächle ich einen wildfremden Menschen an, grüße ihn freundlich oder bedanke mich, weil er mir Platz gemacht hat, ist besagter Mensch meist von dieser – für Deutsche sehr untypischen – Freundlichkeit überfordert. Wenn er oder sie tatsächlich zurück grüßt, ist das ein Reflex, meist aus Panik: Was will der oder die von mir? Schiere Panik. Aber auch dieses Lächeln tut gut.
Habe ich den Mut, einem Arbeitskollegen ein Kompliment zu machen, nachdem er über sein Dicksein gesprochen hat und wie er 40 Kilo abgenommen hat – so macht das seinen Tag auch ein wenig schöner (hoffe ich). Und ja, ich sage Mut – denn so etwas ist bei uns hier in Deutschland nicht üblich. Ok, vielleicht auch nur in Baden-Württemberg. Wer hier jemand Fremden oder auch nur flüchtig Bekannten, ein Kompliment macht, wird oft schief angeschaut, weil sich viele an die Unfreundlichkeit und die emotionslose Koexistenz gewöhnt haben.
Aber dieser Mut zum anders sein zahlt sich aus: Man fühlt sich selbst besser, das Gegenüber auch – ein schon fast filmreifer Moment. Die Person hat gute Laune und verbreitet sie weiter: Grüßt auch eine fremde Person, lächelt jemanden an oder macht ein Kompliment. Vielleicht landet es irgendwann wieder bei mir: mich grüßt jemand oder lächelt mich an, wenn ich keinen so guten Tag habe.
Es sind die kleinen Dinge im Leben, die es so schön machen. Auf meinem Arbeitsweg, sehe ich einen Mann, der mich dazu inspiriert hat, diesen Text zu schreiben: Ein Asiate um die 40 oder 50, der zu der Zeit, an der ich an dem Fluss Murg entlang zur Arbeit fahre, immer mit seinem Hund spazieren gehe.
Inzwischen erkennt er mich (glaube ich zumindest), und wir grüßen uns mit einem „Guten Morgen“ und einem Lächeln. Er wird wahrscheinlich niemals wissen, dass immer, wenn wir uns begegnen, mein Tag ein bisschen bunter und schöner wird. Dass ich mich immer nach unseren Begegnungen ein wenig besser fühle.
Deswegen: Lasst euch nicht von Filmen oder Influencern einreden, wie ein schönes Leben, ein guter „Life Style“ oder die perfekte Beziehung auszusehen hat. Sucht euch eure eigenen Highlights des Tages und versucht die Schönheit im Kleinen zu sehen.
Und vor allem: Seid freundlich – selbst die kleinste Geste der Freundlichkeit kann den Tag eines anderen besser machen.