… Vätern: Überwinde deine Traumata!
Über acht Milliarden Menschen leben auf der Erde, 82 Millionen von ihnen in Deutschland, knapp 0,06% der Deutschen in Rastatt – und 10 Rastatter sind in der Jugendzeitung RAVOLUTION. Einer von ihnen hat einen Motorradführerschein. Diese Person bin ich. Ian-Titus Manta, 18 Jahre alt, und mit fünf Kriterien vom Rest der Menschheit zu unterscheiden.
Ich heiße Ian-Titus, mit Nachnamen wie ein Auto*, bin Waldorfschüler, Einzelkind und eine der wenigen Personen in meinem Freundeskreis, die den Kontakt zu einem Elternteil abgebrochen haben. Das schwierige Verhältnis zu meinem Vater und meine Entscheidung mich nicht mehr bei ihm zu melden, haben meinen Charakter geprägt wie kein anderes Ereignis.
Fast alle Charaktereigenschaften die ich habe, sind auf diese Zeit zurückzuführen. So kriege ich häufig zu hören, wie schön es doch ist, dass ich so sehr über mich selbst lachen kann. Wie sonst soll man damit umgehen, wenn man 15 Jahre lang jedes zweite Wochenende zu hören bekommt, dass man für nichts zu gebrauchen ist und bestenfalls als mittelmäßiger Straßenmusiker enden wird.
Ich bin nicht am Boden zerstört, wenn ich irgendwo versagt habe. Wieso denn auch? In den Augen meines großen Vorbildes war ich seit Kindesalter nichts anderes als ein Versager. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich von einem Problem überrannt werde, bleibe ich nicht standhaft und versuche nicht, es aus der Welt zu schaffen, sondern flüchte.
Schließlich bin ich so auch dem Terror meines Vaters entkommen. Je mehr ich über all das nachdenke, desto klarer wird mir: Wir sind, wer wir sind, wegen unseren Erfahrungen – sie sind der Kern unseres Charakters. Sofort stellt sich mir eine Frage: Was wäre wenn…? Wenn ich einen einfühlsamen Vater gehabt hätte? Wenn ich noch heute Kontakt zu ihm hätte? Oder auch wenn die Menschen, die mir geholfen haben, diese Zeit zu verarbeiten, nicht da gewesen wären?
Besonders diese letzte Frage beschäftigt mich schon seit Jahren, schließlich waren es diese Menschen, die mir manchmal bewusst, manchmal unbewusst gezeigt haben, wie ich die Erfahrungen verarbeiten und welche Lehren ich aus ihnen ziehen kann.
Schlussendlich gibt es immer zwei Möglichkeiten, mit gesammelten Erfahrungen umzugehen: Entweder heißen wir das Erlebte gut und wollen es wiederholen und an andere Menschen weiter geben. Oder wir verabscheuen die Ereignisse und versuchen uns und andere davon abzuhalten, diese Erfahrung zu erleben beziehungsweise sie selbst nochmal zu erleben. Bei dieser Entscheidung spielen die Werte unseres aktuellen Umfelds eine wichtige Rolle.
Beispielsweise hatte mein Vater nahezu identische Traumata in seiner Kindheit erlebt wie ich. Da er jedoch im erzkonservativen Rumänien aufgewachsen ist, kam er zu dem Schluss, dass ihn sein Leiden in den Jugendjahren erst zu einem richtigen Mann gemacht habe. Deshalb wendete er diese Art der Erziehung auch bei mir an. In seinem Weltbild war dies der einzige Weg, zu einem echten Mann zu werden. Folglich waren diese Erziehungsmethoden ein notwendiges Übel – bei ihm hatte es ja auch funktioniert.
Am liebsten würde ich jetzt sagen, wie schief das alles doch gelaufen ist, doch leider hat seine Erziehung gefruchtet. Ich habe jahrelang kaum Gefühle nach außen dringen lassen, nicht weil ich das so wollte, sondern weil ich es nicht konnte. Nur durch meine Freunde gelang es mir nach Jahren, aus diesem Gefängnis auszubrechen und endlich wieder frei zu sein, um zu weinen und zu lachen. In dieser Zeit lernte ich die wichtigste Lektion meines Lebens: Wie wichtig es ist, dass wir uns um unsere Mitmenschen kümmern und ihnen, wenn sie es brauchen, eine Perspektive zeigen. Besonders in Zeiten, in denen Parteien wie die AfD, zweistellige Wahlergebnisse erreichen ist das wichtiger denn je.
*ACHTUNG: Das ist ein Symbolbild und zeigt NICHT Ian-Titus und seinen Vater!