“Das werden wir so angehen – das könnt ihr überprüfen”
RAVOLUTION vor Ort: Landesschülerkongress mit Bildungsministerin
Dreckige Toiletten, mangelnde Technik, unqualifizierte Lehrer. Täglich werden wir Schüler mit Problemen konfrontiert. Wir waren von RAVOLUTION beim Landesschülerkongress (LSK) in Kornwestheim. Dr. Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, stellte sich den kritischen Fragen von Schülern. Hier ein Einblick in die Konferenz.
Von Digitalisierung über bundesweite Zentralisierung der Bildung bis hin zu mehr praktischer Berufserfahrung für Schüler wurden verschiedene Themen diskutiert. Neben Dr. Eisenmann saßen die Oberbürgermeisterin von Kornwestheim, Ursula Keck, und der 19-jährige Landesschülerbeiratsvorsitzende Joachim Straub auf dem Podium. Das Publikum konnte während der Diskussion durch Hochheben von grünen oder roten Karten Zustimmung oder Ablehnung signalisieren.
„Wir haben Nachholbedarf – unbestritten“, gesteht die Ministerin, als eine Frage zur Digitalisierung des Unterrichts gestellt wird. Die Städte würden sich Empfehlungen für Standards wünschen, die IT-Ausstattungen an Schulen betreffen. Diese müssten jedoch auf pädagogischen Konzepten beruhen und für den Unterricht förderlich sein, mahnt Eisenmann. Ein Gesamtkonzept sei nötig. Die Erarbeitung eines solchen Konzeptes brauche Zeit und Geld. Es würde jedoch an beidem mangeln. Versprechen für eine schnelle Modernisierung des Unterrichts habe es in den letzten Jahren oft gegeben, nur an der Umsetzung haperte es.
Die Kultusministerin erklärte bei der LSK, dass die Digitalisierung des Unterrichts uneingeschränkt „ganz oben auf der Tagesordnung“ stehe. Auch die Unterstellung, die Lehrer hätten kein Interesse an modernem Unterricht sei unberechtigt. Es gäbe zahlreiche gut besuchte Fortbildungen für Lehrer und der Wille sei da. Nach einer kurzen Diskussion bleibt die Versicherung Eisenmanns: „Wir legen Tempo drauf, weil das auch notwendig ist.“ Ob diese Aussage verwirklicht wird, ist noch unsicher, doch wir zählen auf die Ministerin.
Erfolgreiche Veränderungen im vergangenen Jahr habe es beim Thema der praktischen Berufserfahrung gegeben. Das BOGY-Praktikum wurde ausgeweitet und der Tag der beruflichen Orientierung an allen Schulen eingeführt. Landesschülerbeiratsvorsitzender Joachim Straub lobt die Politik dafür: „Bereits ein Tag in einem Unternehmen ist einfach super spannend“. Er wünsche sich, dass das Kultusministerium noch mehr Schultage für praktische Erfahrung „herausrückt“. Solche Tage würden Unternehmen greifbarer machen, den Blickwinkel verändern und ein anderes Denken über Wirtschaftszweige ermöglichen. „Ich weiß dann spätestens, was will ich nicht oder was will ich wirklich“, erklärt Straub. Auf den Wunsch nach Verhandlungen von Seiten des Landesschülerbeirates reagiert die Ministerin optimistisch und offen: „Verhandlungsangebot gerne angenommen“. Die Möglichkeit, neue Perspektiven kennenzulernen und bereits während der Schulzeit Erfahrungen in der Praxis zu sammeln, seien definitiv Punkte, um Jugendliche zu unterstützen und zu motivieren. Das wisse sie mit ihren Kollegen in der Politik.
Ein weiteres Thema, das besonders engagierte Schüler beschäftigt, ist die Arbeit der Schülermitverantwortung (SMV) an der eigenen Schule. Joachim Straub kritisiert die fehlende Wertschätzung der Lehrer für das Mitwirken am Schulleben. Besonders, wenn sich die eigene Note aufgrund von regelmäßigem Verpassen des Unterrichtes durch eine unangekündigte mündliche Abfrage deutlich verschlechtert, merkt Straub an. Das Publikum zeigt seine klare Zustimmung, indem es kollektiv den grünen Zettel hochhebt. Auch „die einzelnen Kommentare, die man kriege, wenn man mal fünf Minuten zu spät komme, weil man für die Schule Projekttage organisiert, finde ich nicht angebracht“ zeigt eine dankbare Resonanz bei den Schülern. Für die Ministerin ist klar, es wird ein „Mittelweg benötigt zwischen Freiraum und Präsenz“ bei der SMV-Arbeit. Das Bewusstsein müsse sich gegenüber der SMV verändern. Es müsse klar werden, dass eine SMV nicht einfach nur „nice-to-have ist, sondern auch eine Aufgabe hat“, so die Ministerin.
Joachim Straub fordert die Anerkennung der Mitwirkung bei der SMV-Arbeit auch als Erwähnung im Zeugnis. Er findet es „schwach“, dass man sich für verschiedene AGs Stunden anrechnen lassen kann, aber nicht für die SMV-Arbeit. Die Ministerin gibt Straub recht und sagt entscheidende Worte für jedes SMV-Mitglied: „Das sehen wir auch so. Das können wir so umsetzen und werden wir so angehen“. In der Politikersprache gibt es kaum eine klarere Zusage. Ein sehr schöner und hoffnungsvoller Satz für viele SMV-Mitwirkende.
Zum Abschluss der Diskussion wird Susanne Eisenmann gebeten, den Satz „Von dieser Diskussion nehme ich für meine zukünftige Arbeit mit…“ zu beenden. Sie verspricht alles umzusetzen, was sie zugesagt habe, und erklärt, dass sie viele Anregungen mitnimmt. „Dafür herzlichen Dank – und ihr könnt es überprüfen!“ wirft sie den Teilnehmern zu. Sie stünde unter „Vollbeachtung“ und wisse von ihrer Verantwortung gegenüber den Schülern in Baden-Württemberg: „Wir machen’s für euch“. So stimmen uns ihre letzten Worte optimistisch: „Ich sag‘ es nicht nur zu, ich setz‘ es auch um, verspreche ich euch.”
Der Diskurs mit der Politikerin war konstruktiv; sie reagierte offen auf die Optimierungsvorschläge der Schüler. Der Austausch zwischen Politik, Lehrern und Schülern sollte, unserer Meinung nach, weiter gefördert werden. Nur so kann das Kultusministerium unsere Ansichten kennenlernen und unsere Wünsche verwirklichen. Wir hoffen auf eine schnelle Umsetzung der Reformen und zählen auf die Kultusministerin.