Chemnitz – ein brauner Fleck wird wieder bunt
Ein Toter, viele Demos gegen Flüchtlinge und ein Konzert gegen Rechts
Chemnitz – die vermeintliche graue Stadt der braunen Hetze.
Chemnitz – ein bunter Fleck voller singender Menschen.
Chemnitz – die Stadt, zu der wir drei Stunden lang fuhren, nur um ein Zeichen zu setzen.
Am 3. September 2018 fand in Chemnitz das „Konzert gegen Rechts“ unter dem Motto „Wir sind mehr“ statt. Wir sind zu zweit nach Chemnitz gefahren, zwei RAVOLUTIONÄRE, Laurin und ich. Um dabei zu sein. In diesem Artikel geht es jedoch weniger um die Tatsache, dass wir dort waren, sondern um die Frage, warum wir dort waren.
Riesige Fans sind wir beide nicht. Wir waren also nicht dort, um kostenlos bei einem Konzert zu sein, das ansonsten pro Ticket sicher um die 100 Euro gekostet hätte. Es ging uns weniger um die Musik. Wir wollten uns vielmehr zeigen: „gegen rechts“ und „Wir sind mehr“.
Rückblick auf den Anlass: Am 26. August 2018, in den frühen Morgenstunden, streiten sich bei einem Stadtfest mehrere Menschen unterschiedlicher Nationalitäten in Chemnitz. Drei Männer im Alter zwischen 33 und 38 Jahren kommen schwer verletzt ins Krankenhaus. Ein 35-Jähriger stirbt in Folge seiner schweren Verletzungen. Ein 22-jähriger Iraker und ein 23-jähriger Syrer werden festgenommen. Spontan ziehen Demonstranten in die Innenstadt und skandieren gegen Flüchtlinge.
Am 1. September standen in Chemnitz, so der MDR Sachsen, mehrere Demonstrationen auf dem Programm. Nach Angaben der Politzei haben rund 11.000 Menschen demonstriert. 3.000 waren bei der Demonstration „Herz statt Hetze“, zu der ein breites Bündnis eingeladen hatte. 8.000 besuchten die Kundgebung von „Pro Chemnitz“, AfD und Pegida. Weitere Kundgebungen folgen.
Mit dem Konzert #wirsindmehr wollen insgesamt sechs Bands ein Zeichen gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt sezten. Zu den Künstlern zählten neben der Chemnitzer Band „Kraftklub“ unter anderem die „Die Toten Hosen“ und „Feine Sahne Fischfilet“. Das Gratiskonzert inmitten von Chemnitz besuchten nach Angaben der Stadt rund 65.000 Menschen. Zwei davon waren wir! Und das Beste: Es blieb friedlich.
Das Konzert wurde von Bands organisiert, weil sie etwas tun und politische Verantwortung übernehmen, sich positionieren wollten. Gleiches galt für unsere Teilnahme. Die Möglichkeit, an etwas beizuwohnen und Teil zu sein, wenn vielleicht eine Veränderung ausgelöst wird. Wenn so viele zusammen, einen Unterschied ausmachen.
Mittlerweile scheint das Thema schon fast wieder vergessen zu sein – wie leider so vieles: aus den Medien, aus dem Sinn. Dabei ist es zwar nicht mehr brand-, dennoch aber aktuell.
Bekannt wurde Chemnitz international, als in der damaligen DDR die SED-Spitze beschloss, die Stadt in „Karl-Marx-Stadt“ umzubenennen. Eine Stadt des linken Spektrums, des Kommunismus. Eine Stadt, deren Ruf sich durch die Ereignisse Ende August 2018 verändert haben. Bekannt ist sie nun als eine Stadt voller antisemitischer, flüchtlingshassender und rechter Menschen – der Ort, an dem AfD und Pegida Seite an Seite demonstriert haben. Der Ort, dessen Einwohner sich schämen, weil vergessen wird, dass es dort noch so viel mehr gibt – mehr Linke, mehr Bunte, mehr „Wir sind mehr“-Menschen.
Die Ereignisse in Chemnitz waren schockierend, und wir dürfen sie nicht vergessen, jedoch auch nicht überbewerten. Wir müssen die rechten Tendenzen wahrnehmen und sie als Anlass sehen, zu handeln. Zugleich müssen wir auch Zeichen wie das „Konzert gegen Rechts“ schätzen und verstehen, dass es noch so viel mehr Menschen gibt als die, die es durch Gewalttaten in die Nachrichten schaffen.
Laurin und ich wollten mit unserer Teilnahme ein Zeichen setzen. Ich sehe das zwar nicht als wirkliches Politische-Verantwortung-Übernehmen an, da wir nichts aktiv getan haben. Doch wir haben passiv etwas verändert. Gezeigt, dass da Menschen sind, die bereit sind, sich einzusetzen.
Das reicht natürlich noch lange nicht aus. Wir müssen noch viel mehr tun, als auf Konzerte zu gehen. Doch es ist ein Anfang. Ein Anfang von möglichem Engagement und Verantwortungsübernahme. Ein Anfang, aus einer grau-braunen Stadt wieder einen bunten Ort der Vielfalt zu machen. Chemnitz – die Stadt, für die es sich definitiv lohnt, drei Stunden hinzufahren.