Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
Wer hat noch den Mut, sich zu binden?
Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Treffender könnte man die heutigen Jugend nicht beschreiben. Niemand will sich festlegen, sondern alle Möglichkeiten offenhalten. Feste, echte Beziehungen – ein Glückstreffer. Unverbindlicher, oberflächlicher Sex scheint der Alltag. Entwickelt sich unsere Gesellschaft tatsächlich in diese Richtung oder gibt es noch Hoffnung für die Romantiker unter uns?
In Zeiten von Tinder, Lovoo und Co. ist es einfacher denn je, Singles in der Umgebung zu finden und zu treffen. Aber welches Verhalten impliziert das? Unser Fokus liegt nur auf dem Äußerlichen, eine logische Konsequenz aus der voranzuschreitenden Visualisierung. Wir sehen ein Bild, entscheiden uns in wenigen Sekunden für ein Wischen nach rechts oder links, für „Gefällt“ oder „Gefällt nicht“. Mich erinnert dieses System an Werbekataloge. Es wird geblättert und geblättert, bis etwas Passendes gefunden wird. Etwas Passendes, Praktisches, Preiswertes. Diese stetigen Bewertungen, die wir automatisch über Menschen, auf Grund ihres Profilbildes fällen, dieses stetige Abwägen, ob es sich lohnt, mit Personen in Kontakt zu treten – wird hierbei unser Gegenüber nicht allmählich objektiviert? Das mag das Ziel sein, bei der Suche nach einfachem und schnellem Sex, ganz ohne Gefühle. Da spricht nichts dagegen, die Digitalisierung ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Wo aber, wird unser Bedürfnis nach Vertrauen und Sicherheit gestillt? Sind wir noch bereit, uns für Menschen zu öffnen und die Anstrengungen und Nachteile einer Beziehung in Kauf zu nehmen?
Zumindest die Tendenz zur Eheschließung stieg in den letzten zehn Jahren wieder. So wurden 2007 ca. 369 000 und 2015 (aktuellster, verfügbarer Wert des statistischen Bundesamtes) ca. 400 000 bundesweite Ehen geschlossen. Nur ein momentanes Schwanken der Werte? Denn vergleicht man 2015 mit 1965, so sanken die Eheschließungen um ca. 220 000. Eine drastische Entwicklung. Ebenfalls bei den Ehescheidungen. Innerhalb der letzten 50 Jahren stieg die Zahl der Scheidungen um 103 000. Wenn die Ehe an Zuspruch verliert, stellt sich die Frage, welche Beziehungen wir anstatt dessen eingehen wollen und warum.
Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass Jugendliche regelrecht Angst haben, eine feste Beziehung einzugehen. Angst vor dem Scheitern oder dem verletzt werden. Hinzu kommt die Bequemlichkeit unserer Generation. Eine Beziehung einzugehen bedeutet Arbeit. Für manch einen möge es einfacher sein, die Beziehung zu beenden, als sie zu reparieren. Um diesem ganzen Stress zu entgehen, bieten sich Dating-Apps an. Man benötigt nicht einmal den Mut, jemanden anzusprechen, es genügt ein Klick.
Ein Klick zum Glück. So bleibt es also oftmals bei One-Night-Stands oder einer Freundschaft Plus. Einer Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Eine Beziehung ohne Gefühle, ohne Risiken, ohne Verletzungsgefahr? Wirklich? Ist Abgrenzen und das Ignorieren des Wunsches nach fester Bindung der Weg zum Glück?
Ja, wir sind die Generation „Yolo“ – you only live once. Wobei diese Klassifizierung längst wieder out ist. Wir möchten so viel wie möglich erleben und uns keine Grenzen setzten. Gerade wenn die Grenzen Verpflichtungen einer Beziehung bedeuten. Ich selbst lebe gerne nach diesem Prinzip, es macht Spaß, wir fühlen uns jung, wild und frei. Dennoch können wir nicht bis zu unserem Lebensende daran glauben, wir benötigten keine Sicherheit und keine wahre Liebe. Diese Sehnsucht sitzt in jedem von uns.
Habe ich recht? Warum verschließen wir uns dann davor? Das Leben und die Liebe zu kontrollieren ist nicht möglich, unsere Entscheidungen zu kontrollieren aber schon. Lasst uns bereit sein, zu Menschen mit Verantwortung zu werden. Wir haben die Wahl. Lasst uns hinaus in die Welt gehen, Menschen kennen lernen, von Auge zu Auge. Wir haben die Wahl. Lasst uns auf unser Herz hören und mutig sein. WIR HABEN DIE WAHL!