Und Gott sagte: „Es gibt keinen Kaffee mehr“
Die neue Schöpfungsgeschichte als Glosse

Der Mensch erkundete die Schöpfung und gab jedem Wesen einen Namen. Er entdeckte, dass dem Schöpfer Fehler unterlaufen waren. So trat der Mensch mit dem Vorsatz, es besser zu machen, in die Fußstapfen des Schöpfers.
Am ersten Tag der neuen Beschäftigung machte sich der Mensch zuerst einen Kaffee und verschüttete ihn versehentlich über seiner Tastatur. Er sah, dass es nicht gut war. Mit einem Taschentuch tupfte er sie trocken und blickte auf den Bildschirm. „Das ist es“, rief er enthusiastisch. Bei der Säuberung hatte er einige Tasten gedrückt und das Festgeschriebene verändert. Die Idee war geboren.
Am zweiten und am dritten Tag suchte der Mensch. Er suchte und fand das Wundermittel, mit dem er die Änderung im Festgeschriebenen wahr werden ließ. Er korrigierte wie mit einem Rotstift. Er machte die Pflanzen stärker und widerstandsfähiger. Auf dass die Pflanzen höher gen Himmel ragten als je zuvor und sie zu singen begannen. Der Mensch war stolz auf diese Pracht und konnte nicht erwarten, was Vater dazu sagen werde.
Am nächsten Tag widmete sich der Mensch der tierischen Schöpfung. Er kombinierte fluoreszierende Algen und Kleingefisch, woraufhin die neuen Fische in strahlender Pracht erwachten. Er sah, dass es nicht notwendig, aber lustig war. Den schwachen Tieren des Landes hauchte er neue Formen ein. So wurden sie zuerst gesünder, dann größer und schließlich zahlreicher. Warum meldete sich Vater nicht?
Am fünften Tag beschäftigte sich der Mensch mit sich selbst. Er präparierte und operierte an der Krone der Schöpfung, brach einen Zacken nach dem anderen ab in seiner selbstauferlegten Mission. Er war noch nicht zufrieden. Äußerlich formte er die Menschen und machte sie schöner, schlauer, schneller und stärker, doch es fehlte etwas. Er suchte nach … Erkenntnis, Vollkommenheit. In seinem Wahn vergaß der Mensch, den Rest der Schöpfung zu behüten und so wuchs ihm alles über den Kopf.
Am sechsten Tag tanzte das Pflanzenreich höhnisch und umschlang den Menschen. Dort, wo der Mensch die Pflanzen beschnitt, wuchsen noch dickere Zweige doppelt und dreifach nach. Das Tierreich spielte verrückt, Mäuse fraßen Katzen, und die Rollen der Jäger und Gejagten standen auf dem Kopf. Fische schwammen rückwärts durchs Gewässer und die Säuger säugten Schlangen. Es sah so aus, als habe sich der Mensch in seinen Untergang manövriert. Ein Tier der Lüfte, welches vom Menschen unberührt blieb, erschrak beim grotesken Anblick der neuen Schöpfung und flog gen Himmel.
Am siebten und letzten Tag kam der Vater aus dem Urlaub zurück und war erstaunt über die Streiche des Menschen. Der Mensch, immer noch in einem Käfig aus Zweigen verharrend, sah ihn nicht nahen, doch nahm dessen Präsenz wahr. Der Vater amüsierte sich an diesem Tag über den erschaffenen Zirkus. Einige der Ideen lobte er recht geistreich, über Anderes schmunzelte er nur schelmisch.
Als der siebte Tag zu Ende war, wölbte der Vater die hohen Gewächse zu einer geschlossenen Decke und entzog dem Boden Sonnenschein und Regen. Langsam verkümmerte die Flora, und die Fauna kam in der Dunkelheit zur Besinnung. In einem Trümmerhaufen saß der Mensch, und der Vater betrachtete den Platz und sprach: „Für dich gibt’s keinen Kaffee mehr!“
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