Mitbestimmen könnt ihr zuhause! Die Schule ist zum Lernen da
Wenn Demokratie nur in der Theorie vermittelt wird und Jugendliche nicht einbezogen werden
In der Schule lernen wir: Demokratie heißt mitreden, diskutieren, Kompromisse schließen, abstimmen. Auf dem Papier, in der Theorie, klingt das super. Aber sobald es um echte Entscheidungen geht, herrscht Funkstille. Wer jung ist, hat kaum eine Stimme – und merkt das spätestens dann, wenn man sich in der Schülermitverantwortung (SMV) engagiert. Hier sind wir mehr mit der Organisation von Filmabenden und Sommerfesten beschäftigt als damit, das Schulleben nachhaltig zu verbessern. Ziemlich ironisch, wenn man bedenkt, dass die Teilnahme an der Wahl zum:zur Schülersprecher:in als Beteiligungsmöglichkeit verkauft wird. Dabei solle die „Demokratie gelebt“ werden. Das Amt kann jedoch weder Veränderungen bewirken, noch ist es eine Repräsentation der Schüler:innen.
Bereits vor über einem Jahr hat der Jugendbericht der Jugendministerin a.D. Lisa Paus schwarz auf weiß gezeigt: Jugendliche fühlen sich abgehängt. Politik wird über ihre Köpfe hinweg entschieden – obwohl sie die Zukunft sind. Doch nach Veränderung sieht es nicht aus.
Deutschland hat nach 1945 auf die sogenannte „antifaschistische Bildung“ gesetzt: „Nie wieder!“ sollte nicht nur eine Parole bleiben, sondern ein Versprechen. Im Geschichtsunterricht lernen wir bis heute über die Folgen des Nationalsozialismus, auf Exkursionen in KZ-Gedenkstätten sehen wir Schüler:innen die Stätten der Gräuel mit eigenen Augen. Immer wieder werden wir erinnert: Was damals passiert ist, ist nicht unsere Schuld – aber wir tragen die Verantwortung, dass solche barbarischen Verbrechen nie, wirklich NIE wieder passieren. Doch dann der Schock bei der Bundestagswahl 2025: Mehr als jede:r Fünfte unter 25 hat bei der letzten Wahl AfD gewählt – eine Partei, die nicht nur gesichert rechtsextrem ist, sondern auch durch ihren Menschenhass und ihre Relativierung sowie Verherrlichung des Holocaust aktiv das „Nie wieder!“ angreift. Wie passt das zusammen? Waren so viele junge Menschen im Geschichtsunterricht nicht anwesend?
Viele sagen: Social Media sei schuld. Die AfD mobilisiert durch eine, für ihre Zwecke perfekte Kampagne viele, vor allem junge, männliche Wähler:innen. Komplexe Fragen der Zeit werden mit einfachen Lösungen wie „Die Ausländer sind schuld“ beantwortet. Viele junge Menschen sind frustriert. Auch wenn das keine Ausrede sein darf, rechtsextreme Parteien zu wählen: Jugendliche erleben jeden Tag, dass an ihnen gespart wird. Ob beim maroden Schulgebäude, bei gekürzten Jugendangeboten oder ganz konkret beim Kulturpass. 200 Euro gab es noch für den Jahrgang 2005, der nachfolgende Jahrgang 2006 hatte nur noch die Hälfte zur Verfügung. Und jetzt die Nachricht: Der Kulturpass wird Ende des Jahres 2025 eingestellt. Wer sich da nicht veräppelt fühlt, hat wohl in Mathe nicht aufgepasst.
Das Vermitteln von Demokratie funktioniert nicht nur durch die Vermittlung von theoretischen Inhalten. Klar, die Funktion von Wahlen und der Aufbau des Bundestags sind wichtige Grundlagen, doch zum Verständnis gehört auch die Praxis – die aktive Demokratieauslebung. Natürlich gibt es Beteiligungsprojekte: Jugendparteien, Jugendparlamente, Jugenddelegationen und die SMV sind nur einige davon. Aber oft verpuffen diese Angebote, in manchen Orten funktionieren sie, in anderen scheitert es an Desinteresse oder mangelnder Unterstützung. Und selbst wenn es Mitbestimmung gibt, ist sie meist zahnlos – Veränderung Fehlanzeige.
Das ist gefährlich: Wenn Jugendliche das Gefühl haben, nicht gehört oder gar bewusst ignoriert zu werden, suchen sie sich andere Wege. Manche ziehen sich komplett zurück, da das Gefühl, dass die eigene Stimme keine Macht hat, zermürbt. Andere gründen Gruppen wie das Jugendkollektiv „76 gegen Faschismus“, um Demonstrationen zu veranstalten oder sich an Informationskampagnen zu beteiligen. Wieder andere landen bei Parteien, die einfache Antworten versprechen – auch wenn diese Antworten brandgefährlich für Demokratie und Gesellschaft sind. Es zeigt sich also: Demokratie muss gelebt werden, Jugendliche müssen aktiv eingebunden werden.
Was passieren müsste, liegt auf der Hand. Schulen dürfen keine Orte mehr sein, an denen Jugendliche nur Filmabende organisieren dürfen, sie brauchen eine echte Mitsprache: Bei Entscheidungen, die ihren Alltag betreffen und das Schulleben nachhaltig aufwerten. Gleichzeitig braucht es Investitionen in Jugendangebote! Eine gute Zukunft gibt es nicht durch Kürzungen an eben dieser Zukunft. Und vor allem braucht es Politik, die wirklich zuhört, die nicht jeden Vorschlag von Jugendlichen mit der Ansage „Ihr habt doch keine Lebenserfahrung“ abtut – und zwar nicht erst dann, wenn Wahlergebnisse schockieren. Denn Demokratie funktioniert eben nur dann, wenn alle eine Stimme haben, und nicht nur die, die „schon alt genug“ sind, um über die Köpfe der anderen hinweg zu bestimmen.





