Hey ihr in der Politik: Wisst ihr, was ihr uns antut?
Ein besorgter, ja wütender Einwurf zu Sparmaßnahmen in der Bildung, konkret an der Uni Frankfurt
Die Geschichte beginnt im Vereinigten Königreich des Zweiten Weltkriegs. Die Insel wurde von der deutschen Luftwaffe mit einem massiven Bombenteppich überzogen. Frankreich wurde gerade von den Nazis besetzt, das Vereinigte Königreich unter Winston Churchill blieb das einzige Bollwerk gegen Hitler. Im Kabinett wurde Churchill gefragt, ob man die Subventionen für Kunst zugunsten des Kriegshaushalts kürzen solle. Churchill erwiderte daraufhin mit seinem bekannten Satz „Then what are we fighting for?“. Nun, der Satz ist ein moderner Mythos. Es ist nicht bewiesen, dass Churchill ihn je gesagt hat. Schade. Denn heutzutage wäre er sehr angebracht.
Ich studiere Soziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und jede*r an meiner Uni, von Studierenden bis Professor*innen, wären der CDU-geführten Landesregierung unter Boris Rhein dankbar, wenn sie diesen Satz mal beim hessischen Hochschulpakt berücksichtigt hätte. Auch wenn er nie gesagt wurde. Die Hochschulen in Hessen sehen sich mit einer Kürzung von einer Milliarde Euro konfrontiert. Für meine Uni bedeutet das konkret einen zweistelligen Millionenbetrag weniger im nächsten Jahr.
Unser Universitätspräsident Enrico Schleiff fordert von allen Fachbereichen, die Haushalte zu kürzen. Die Liste an gravierenden Folgen durch die Kürzungen für den Betrieb ist lang: Dafür soll es Massenentlassungen geben. An meinem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften sollen Professuren in Gruppen eingeteilt werden, je nachdem, wie viel Projektgelder sie einwerben. Die Professuren mit den wenigsten Geldern sollen gestrichen werden. Die Konsequenz ist ein wirtschaftlicher Wettbewerb in einem Feld, das es gar nicht geben sollte.
Eine weitere Folge ist die Stellenstreichung für wissenschaftliche Mitarbeiter. Wenn die fehlen, erhalten die Professuren weniger wichtige Unterstützung, und es können weniger Seminare angeboten werden. Forschung, Lehre und Qualität des Studiums sind in Gefahr, ganze Studiengänge müssten abgeschafft oder zusammengelegt werden. Die Kürzungen bedrohen die Vielfalt innerhalb der Wissenschaft. Sie stellen im Allgemeinen eine Verschlechterung der Hochschulqualität dar. Studierende, eine Gruppe, die es finanziell oft schwieriger hat, werden die Kürzungen am eigenen Geldbeutel spüren: Wenn Mensapreise, Semesterbeiträge und Mieten für Wohnheime steigen müssen (was sie sowieso schon tun). Wie sollen sich junge Menschen so weiterentwickeln?
Wir als Fachschaft, als Vertreter*innen unseres Fachbereichs, werden die Kürzungen nicht mittragen. Regelmäßig fanden in letzter Zeit Kundgebungen und Demonstrationen sowohl an der Uni als auch in der Innenstadt von Frankfurt statt. Die Gewerkschaften haben sich unseren Initiativen angeschlossen. Auf den Demos sind auch Dozierende, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Professor*innen. In ihren Seminaren und Vorlesungen lassen sie Werbung für solche Demonstrationen zu, ja rufen sogar selbst zu ihnen auf. Weitere Aktionen und Infoveranstaltungen sind von uns als Fachschaft geplant. Die Politik sagt den jungen Menschen, dass sie sich engagieren sollen. Nun: Hier sind wir, die Engagierten. Nehmt uns ernst. Wir lehnen eure Politik ab!
Alt regiert, Jung verliert? Nun, Boris Rhein mag mit seinen 53 Jahren nicht der älteste Regierungschef Deutschlands sein, was ich sehr bezeichnend finde. Auch interessant: Er studierte an meiner Uni. Dann sollte er bestimmt unsere Forderungen und Sorgen verstehen können, oder? Sein Finanzminister Alexander Lorz hatte eine Petition gegen die Kürzungen (Stand 28.08.2025) mit knapp 13.000 Unterschriften nicht angenommen.
Meine Sicht: Die Kürzungen wären nicht nötig, hätte die Bundesregierung nicht die Körperschaftssteuer für Unternehmen gesenkt. Diese Senkung ist ein Steuergeschenk für die Allerreichsten in diesem Land. Für den Moment werden die großen Konzerne wieder Profite für sich und ihre Anteilseigner einfahren. Meine Zukunft und meine Ausbildung wird beschnitten, um Interessen von Konzernen zu befriedigen.
Die Kürzungen an meiner Uni stellen mir als jungen Menschen eine grundsätzliche Frage: Interessiert ihr Politiker euch für meine Zukunft? Ihr lamentiert in Talkshows davon, dass der Wohlstand in diesem Land unbedingt erhalten werden muss. Und dann spart ihr an der Jugend! Wohlstand wird durch gute Bildung für die nachfolgenden Generationen garantiert, nicht durch Waffen. Universitäten sind ein Garant dafür, dass die Kompetenz geschaffen wird, Probleme von heute und morgen mit Sachverstand zu lösen. Sie reden von Wehrfähigkeit und stecken Milliarden Euro (die in den letzten Jahren angeblich nicht da waren) in Waffen und überlegen ernsthaft, Geld für die Uni zu kürzen?
Waffen, die teuer gekauft werden, werden sich abnutzen und die Technik wird in ein paar Jahren veraltet sein. Aber Wissen altert nie und bleibt verfügbar. Wenn ihr in der Politik schon sparen müsst, was ist mit den Subventionen für Kohle, der Entwicklungshilfe nach China oder dem Dienstwagenprivileg? Warum überhaupt sparen? Ist Deutschland nicht die drittgrößte Volkswirtschaft des Planeten und könnte alle in allem absichern? Begründung: Schuldenbremse. Man wolle nachfolgenden Generationen keine finanzielle Last der Eltern zumuten. Aha. Dafür bekommen wir andere Lasten zugemutet. Dieses Geschwätz glaube ich nicht mehr.
Politiker geben mir das Gefühl, sich nicht für meine Sorgen zu interessieren. Ist leider irgendwo logisch, denn wir, die jungen Menschen, haben keine Lobby. Stattdessen beschließen sie temporär wirkende Maßnahmen, die von Lobbyisten diktiert werden. Anstatt die Zukunft zu priorisieren, wird die eigene Wiederwahl und die Gunst bei der Lobby großer Unternehmen priorisiert. Wenn ich in den Bundestag schaue, sehe ich überwiegend alte Männer, hier und da ein paar alte Frauen. Wenn ich Glück habe, entdecke ich jemanden in seinen 30ern. Friedrich Merz ist bei seinem Amtsantritt 69 gewesen, er ist damit der älteste Bundeskanzler nach Konrad Adenauer, der bei seinem Antritt 74 war.
Die Mentalität, die sie mir alle vermitteln: Nach uns Regierenden die Sintflut. Darunter leidet meine Zukunft – die Zukunft vieler und unseres Landes. Die Kürzungen im Hochschulbetrieb sind ein Vorbote dessen. Verstehen werden das die Verantwortlichen bestimmt nicht, das Alter und die Lobbyinteressen stehen einem solchen Verständnis im Weg. Es stimmt: Alt regiert, Jung verliert!





