Das könnte in Zukunft teuer werden!
Die Weltkulturstadt Baden-Baden muss sparen – die Jugend muss hintenanstehen
Baden-Baden zeigt sich oft von seiner teuren und luxuriösen Seite: Ob in den Kurquellen entspannen, mit Pferdekutschen die Allee erkunden oder sein Glück im Casino versuchen – aber das Bild täuscht. Meine Heimatstadt – immerhin Weltkulturerbe – hat leere Kassen. Die Stadt muss über 40 Millionen Euro einsparen. Die im Sommer veröffentlichte Konsolidierungsliste – im Volksmund „Liste der Grausamkeiten“ genannt – trägt Einsparungen in Höhe von 21,3 Millionen Euro zusammen und befeuert die Ängste vieler jüngeren Baden-Badener:innen.
Nicht nur bei den wichtigen Kulturangeboten soll massiv eingespart werden, sondern auch bei sowieso schon raren Angeboten, die sich insbesondere an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene richten. Die Haushaltsperre beeinträchtigt bereits massiv die Qualität des schulischen Unterrichts: Vieles darf nicht mehr besorgt werden, Lehrkräfte müssen ihren Unterricht anpassen oder Materialien aus eigener Tasche bezahlen. Bei Jugendangeboten steht die Reduzierung der 52 Kinderspielplätze und -spielpunkte sowie der sechs Jugendtreffs, die Kürzung des Etats der Jugendarbeit und der Baden-Badener Lernunterstützung sowie die Kürzung des Schulbudgets und der Entgelterhöhung für das Betreuungsangebot der Schulen im Fokus der Sparmaßnahmen, auch die psychosoziale Beratungstelle. Die geplanten Einsparmaßnahmen in einer Höhe von circa 835.000 € wären fatal. Sie würden zu einer noch größeren Diskrepanz zwischen Wohlhabenden und Armen, Menschen mit und ohne Behinderung, Akademiker:innenkinder und Arbeiter:innenkinder sowie jungen und alten Menschen führen.
Die Position der örtlichen Jugendorganisationen fiel eindeutig aus: „Baden-Baden is so nice that you have to name it twice” – nur nicht für hier angesiedelte Kinder und Jugendliche. In einer gemeinsamen Petition gegen die Schließung der Jugendtreffs kritisieren örtliche Jugendparteien bzw. -bündnisse: Die Stadt würde mit der Schließung von Jugendtreffs und Beratungsangeboten dafür sorgen, dass „abgehängte Kinder und Jugendliche nicht unterstützt werden können“. Außerdem treibe sie „Kinder und Jugendliche in radikale Kreise mit populistischen und menschenfeindlichen Ansichten“. Um sich gegen diesen Rückschritt zu wehren, veranstalteten die Jugendorganisationen eine Kundgebung vor dem Rathaus und appellierten an den Gemeinderat, die einschneidenden Kürzungen zu überdenken. Das war eine Gemeinschaftsaktion von der Linksjugend Baden-Baden/Rastatt, der Grünen Jugend Rastatt/Baden-Baden, der Linken Baden-Baden/Rastatt, des Jugendforums Baden-Baden sowie des Jugendkollektivs „76 gegen Faschismus“.
Der Protest zeigte Wirkung und brachte Erfolg: Die Petition erhielt 1425 Unterstützungsunterschriften; die direkten Kürzungen der Jugendhilfe und -angebote wurden auf lediglich 310.000 € einzusparende Mittel reduziert. Immer noch viel, aber immerhin: Die zentrale Forderung, dass die städtischen Jugendtreffs erhalten bleiben sollen, wird erfüllt. Trotz vermeintlicher Entwarnung fragen wir uns, was für die Baden-Badener Kommunalpolitiker:innen wichtiger ist: Die Zukunft von Kindern und Jugendlichen, deren Schicksal auch von der Politik abhängt, oder der Weltkulturerbe-Status unserer Stadt? Für den konservativen Teil des Gemeinderats scheint es wohl letzteres zu sein.
Viele Kürzungen ließen sich abfedern, wäre der Gemeinderat mehrheitlich offen für neue Finanzierungsmöglichkeiten. Zum Beispiel würde die Errichtung von Windrädern im Stadtwald neue Einnahmequellen bedeuten. Stattdessen wird die Ablehnung begründet mit der Drohung „Wir verlieren unseren Welterbe-Status“. Wir schauen mit großer Sorge auf immer noch reduzierte 310.000 € für die Jugendarbeit. Auch wenn eine noch größere Mittelreduzierung verhindert werden konnte, werden große Löcher in die Haushaltsplanung der betroffenen Institutionen gerissen. Die Zurücknahme einiger Kürzungen ist ein Erfolg der Proteste durch unsere Jugendorganisationen – aber wir haben keinen Grund zum Jubeln. Die finanzielle Situation der Jugendhilfe ist weiter und bereits jetzt angespannt.
Dabei sorgt Jugendarbeit für soziale Kohäsion durch Inklusion, für Chancengerechtigkeit durch Bildungsangebote und für ein steigendes Vertrauen in Politik und Demokratie. Wer hier nicht investiert, lässt politische Desillusionierung wachsen, beflügelt undemokratisches Gedankengut und befeuert die soziale Spaltung. Dies schadet dem Standort Baden-Baden in der Wirtschaft und im Tourismus nachhaltig und damit auch dem Stadthaushalt. Bei den Kürzungen ist nun die Schulbegleitung von Kindern mit geistiger Behinderung betroffen. Mehrere Kinder sollen künftig einer pädagogischen Fachkraft unterstehen. Die Qualität der Bildung sowie die individuelle, gezielte Unterstützung des Kindes würde nicht mehr gewährleistet. Dabei entsteht der Verdacht, dass eine andere Gruppe für Mittelstreichung ausgewählt wird, die keine Lobby hat, damit jeglicher Protest verstummt.
Um hier eine Kehrtwende einzulegen, müsste jedoch der politische Wille gegeben sein. Wurde von Verwaltung und Gemeinderat ernsthaft geprüft, ob der Standort der Windräder tatsächlich den Verlust des Welterbestatus bedeuten würde? Oder muss die Jugend wieder den Populismus bestimmter Parteien ausbaden? Schaut man sich die Konsolidierungsliste an, scheint es, als würde neben dem Personal vor allem bei Kultur, Sozialem und der Jugend gespart werden. Das ausgerechnet in einer Stadt, die stolz den Titel des Weltkulturerbes trägt und verfechtet.
Kultur wird teurer, soziale Projekte werden eingestampft, Jugendhilfe wird gekürzt – Menschen, die diese Angebote nutzen, sind darauf angewiesen, dass sie erschwinglich und vor allem erhalten bleiben. Die Vermögenskluft ist in einer Stadt wie Baden-Baden bereits markant. Kinder und Jugendliche, insbesondere aus Familien, die sich in einer niedrigeren sozioökonomischen Schicht befinden, werden dafür abgestraft, hier zu leben. Aber nicht nur in der Reichenstadt Baden-Baden wird an der Jugend gespart. Landesweit soll der Etat für die Schulsozialarbeit drastisch gekürzt werden. Bundesweit wird der Kulturpass gestrichen, der Jugendlichen den Zugang zu kulturellen Angeboten erleichtert hat. Langsam fühlt man sich als Jugendliche:r in diesem Land verarscht. In den Medien wird gegen uns gehetzt: Wir seien zu faul, zu arbeitsunwillig, wir würden zu viel fordern und nichts der Gesellschaft zurückgeben wollen. Einige Politiker:innen befeuern diese medialen Debatten zusätzlich, indem starke junge Stimmen diffamiert und diskreditiert werden.
Ich befürchte, dass der Generationenvertrag einseitig aufgekündigt wird – auf unsere Kosten. Mittel und Angebote für uns werden zusammengestrichen, Bildungssysteme sind marode, die Rente bleibt ein großes Fragezeichen und als Kirsche auf der Sahne wird uns eine Wehrpflichtdebatte aufgedrückt, die unsere Interessen und Sorgen ignoriert. Kann sich Deutschland als reiches Industrieland ernsthaft leisten, an der Jugend zu sparen und deren Stimmen zu ignorieren? Nur wenn Jugendliche wieder als Gruppe, die schützenswert und stimmberechtigt ist, angesehen werden, lässt sich der Generationenvertrag retten. Sonst blüht uns eine Zukunft, in der unsere Lebensrealität von Entscheidungen der Älteren negativ beeinflusst wird. Also bitte nicht kurzfristig rechnen und sparen – es könnte in Zukunft viel teurer werden!
Das Foto zeigt eine Gruppe bei unsere Demo vor dem Baden-Badener Rathaus am 15. Oktober 2025.





