Meine geliebte Demokratie,

weißt Du noch, wie wir uns damals kennengelernt haben? 1919 hatten wir noch unsere On-off-Beziehung, auf die ich rückblickend nicht so stolz bin. Damals war das alles noch ganz neu für mich, aber ich hätte gleich wissen müssen, dass Du die Richtige bist. 1949 war es dann aber endlich so weit. Wir gaben uns das Ja-Wort! Und seitdem sind wir unzertrennlich. Das ist jetzt schon 75 Jahre her. Ein Leben ohne Dich kann und will ich mir nicht mehr vorstellen.

Da draußen gibt es so viele Herrschaftsformen. Wer weiß, hätte ich mich nie entschieden, wäre ich vielleicht noch Single in der Anarchie. Oder irgend so ein dahergelaufener Großkotz würde mir in der Diktatur sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. In meinen Augen ist das schon eine Kakistokratie. Wenn ich mir das alles so vorstelle, werd‘ ich schon fast selbst zur Epistokratie. Aber da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Bin ja schließlich keine Expertokratie.

Aber wozu die Gedankenspiele. Mit Dir ist es am schönsten und ich will keine andere an meiner Seite. Du verstehst mich einfach. Auch wenn ich manchmal eine richtige Ideokratie sein kann. Unsere Beziehung ist nicht immer perfekt. Wir haben beide unsere Ecken und Kanten und es gibt Tage, da geht mir dein Patriarchat auch echt auf die Nerven. Aber ich bin sicher, dass wir auch dafür eine Lösung finden können.

Es tut so gut, dass ich mit dir immer so offen reden kann. Wahrscheinlich ist es auch genau das, was uns soweit gebracht hat.

Danke für die schöne Zeit und auf noch viele weitere Jahre mit Dir

Deine Eine aus dem Volk

Spickzettel:
– Demokratie: Herrschaft durch das Volk (meine große Liebe)
– Diktatur: Herrschaft durch einen Befehlenden
– Epistokratie: Herrschaft durch Philosophen
– Expertokratie: Herrschaft durch Experten
– Idiokratie: Herrschaft durch Dumme
– Kakistokratie: Herrschaft durch die Schlimmsten